Leseprobe

18 logistische Organisation der irakischen Streitkräfte nicht bekannt. Die irakischen Lehrgangsteilnehmer baten das MTT Logistik darum, einen weiteren Lehrgang für Logistik auf Kompanieebene durchzuführen, aber unser diesbezüglicher Antrag an das Hauptquartier der Combined Joint Task Force (CJTF) wurde abgelehnt. Hinzu kam die Sprachbarriere. Sprache lässt sich nicht unabhängig von Kultur betrachten, und da die deutsche und die irakische Kultur grundlegend verschieden sind, muss beim Übersetzen von Texten und beim Dolmetschen mit Bedacht vorgegangen werden. Leider waren die Dolmetscher:innen, die uns zur Verfügung standen, entweder keine Expert:innen (z.B. lokal angeheuerte Iraker:innen mit Englischkenntnissen), oder kannten sich mit militärischen Fachbegriffen und Strukturen nicht aus. Der ganze Aufbau der Ausbildung, die Auswahl der irakischen Lehrgangsteilnehmer, das Verhalten der irakischen militärischen Führung ließen mich zu dem Schluss kommen: Die irakischen Militärs haben wenig Interesse an unserer Ausbildungsunterstützung, sie lassen es aber über sich ergehen, weil sie sich dadurch materielle und finanzielle Hilfsleistungen erhoffen. Militärische Ausbildungsunterstützung ist dazu da, um die Streitkräfte eines anderen Landes immilitärischen Handwerk zu schulen. Diese Herangehensweise ergibt dort Sinn, wo genau das das Problem ist, zum Beispiel wenn die Soldat:innen eines Landes nicht wissen, wie man ein Waffensystem benutzt, in bestimmten Lagen taktisch vorgeht oder wenn es Defizite in der Operationsplanung gibt. Deutsche Soldat:innen sind gut darin, das zu vermitteln, denn das gehört zum alltäglichen Dienst als militärische:r Führer:in. Gerade das ist aber, und das haben meine eigenen Erfahrungen bestätigt, nicht das Problem im Irak. Es geht nicht um das Kämpfen-Können, sondern um das Kämpfen-Wollen. Die Struktur des irakischen Militärs entstand nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches und wurde durch Großbritannien geprägt, als das Land noch Teil des britischen Mandats war. Es entspricht einem europäischen Modell, welches die gesellschaftlichen Realitäten im Irak nicht abbildet. Der Grund für die Instabilität des Iraks geht auf das bürgerkriegsähnliche Ringen umMacht verschiedener religiöser, ethnischer und weltanschaulicher Gruppen zurück, das von den Machtinteressen anderer Nationen, in einer Art Stellvertreterkrieg, für eigene Interessen genutzt wird. Dieser Befund wird auch, wie ich selbst im Einsatz beobachten konnte, aus den unterschiedlichen Erfolgserlebnissen der irakischen Streitkräfte im Vergleich zu den Popular Mobilization Forces (PMF), eigenständig organisierten Milizen, die nach dem Fall von Mosul an Da’esh entstanden, ersichtlich: Fehlende militärische Fertigkeiten sind nicht das Problem. Daher Bei der gemeinsamen Ausbildung mit US Kamerad:innen, Camp Taji 2019

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