Leseprobe

11 ab. Allerdings darf man nicht vergessen, dass 2010 immerhin noch 44 Prozent der Mission zustimmen, 2011 sind es gar 48 Prozent. Den Tiefpunkt erreicht der Zuspruch erst ganz am Ende des ISAF-Einsatzes 2014 mit 35 Prozent. Unpopulär wird der Einsatz aber nicht nur bei der deutschen Bevölkerung. Auch US-Präsident Barack Obama hat angesichts der hohen amerikanischen Verluste und der gewaltigen finanziellen Aufwendungen genug vom Engagement in Afghanistan. Die NATO beschließt 2010 auf seinen Druck hin, sich allmählich zurückzuziehen und bis 2014 die Sicherheitsverantwortung der Regierung in Kabul zu übergeben. Mehr und mehr konzentrieren sich die Anstrengungen der Bundeswehr auf die Ausbildung der afghanischen Armee und bald auch auf den eigenen Abzug. Allerdings ist überdeutlich, dass die afghanischen Streitkräfte und die Polizei noch lange nicht so weit sind, selbst für Sicherheit zu sorgen. Deshalb folgt nach dem Ende von ISAF Resolute Support – wieder mit deutscher Beteiligung. Im Umfang deutlich kleiner, konzentriert sich diese Mission nun ganz auf Ausbildungshilfe. Im Sommer 2021 wird auch dieser Einsatz auf DruckWashingtons beendet. Ob der Abzug aus Afghanistan verfrüht war oder nur das längst überfällige Ende einer zum Scheitern verurteilten Operation, wird im In- und Ausland kontrovers diskutiert. Ebenso halten die Diskussionen darüber an, warum der afghanische Staat unter dem Ansturm der Taliban so schnell zusammenbrach und warum diese Entwicklung nicht rechtzeitig erkannt wurde. Identitäten Der Afghanistan-Einsatz zwingt Gesellschaft und Politik dazu, sich mit unangenehmen Fragen auseinanderzusetzen. Auf einmal müssen deutsche Männer und Frauen kämpfen, sie töten und sie sterben. Das Bild des bewaffneten Wiederaufbauhelfers, mit dem sich weite Teile der Gesellschaft, aber auch zunehmend die Bundeswehr selbst anfreunden, bekommt Risse. Gewiss, nur eine Minderheit der deutschen Soldaten nimmt in Afghanistan an einem Gefecht teil. Doch SPIEGEL-Titel »Die Deutschen müssen das Töten lernen.«, Ausgabe vom 20. November 2006

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