Leseprobe

105 Bei seinem Dienstantritt bot sich ihm, wie er einige Jahre später schrieb, »ein trostloser Anblick. Das Haus, von sechs Bomben getroffen, klaffte an allen Ecken und Enden. Türen und Fenster hingen zerfetzt oder geflickt in den Angeln. Die Stufen vor dem Haupteingang waren zertrümmert. Ein Bombenkrater gähnte vor der Haupttür. Halle und Treppenhaus troffen vor Nässe. Überall versperrten Luftschutztüren den freien Durchgang. Im kleinen Büroraum traf ich meinen Amtsvorgänger, Prof. Dr. Otto Lauffer, der in einem langen Leben das Museum für Hamburgische Geschichte geschaffen und ausgebaut hatte und der nun mir, seinem Schüler und Nachfolger, mit einem Händedruck das Amt – und damit die Sorge für das Ganze übergab.« Wiederaufbau unter Walter Hävernick Der anpackende wie praktisch veranlagte Hävernick und seine Mitarbeiter hatten sich in den kommenden Jahren vor allem mit Bau- und Sanierungsfragen des Museums zu befassen (Abb. 2–5). Dabei erhielt der Direktor von unverhoffter Seite Hilfe. Robert C. Riggle, Vertreter der United Nations Relief and Rehabilitation Administration, wandte sich gleich nach dessen Amtsantritt an Hävernick mit der Frage, ob es möglich sei, einen Teil des Museumsgebäudes der baltischen Universität, der Hamburg D. P. University, zur Verfügung zu stellen. Dies hatte den Vorteil, dass für diese baltische ExilUniversität Geldmittel durch die genannte Teilorganisation der UNO zur Verfügung standen. Ein für Hävernick wichtiger Vorteil des Universitätsbetriebs imMuseum lag in der ebenso raschen wie kostengünstigen Wiederherstellung von mehreren Räumen. Die Universität war hier von April bis Ende Dezember 1946 untergebracht. Anschließend konnte das Museum die sanierten Räume selbst übernehmen. Die finanzielle Lage des Museums war in den ersten Jahren nach Kriegsende höchst angespannt, zumal die wenigen Mittel, die es von Staatsseite erhielt, immer nur stufenweise freigegeben wurden und nicht ausreichten. Auf die vorgesetzte Kulturverwaltung konnte Hävernick somit kaum hoffen. 1 Fritz Kempe Museumsdirektor Walter Hävernick (1905–1983) Fotografie (Ausschnitt), 1951 MHG, Inv.-Nr. EB 1951,517

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