131 Impuls von PROF. DR. ANJA DAUSCHEK Direktorin des Altonaer Museums Auf Hinnerk Bodendiecks allegorischer Darstellung zum 350. Stadtjubiläum Altonas 2014 steht Altonia mit ihrem hippen Lastenfahrrad voller Geschichten natürlich im Vordergrund, Hammonia lächelt wohlwollend im Hintergrund. Altona ist stolz auf seine Vergangenheit als einstmals zweitgrößte Stadt im dänischen Gesamtstaat. So viel Geschichte ist ein eigenes Museum wert, und deshalb haben die Altonaerinnen und Altonaer 2010 ihr Museum vor der Schließung bewahrt. Zwei Jahrzehnte bevor das Museum für Hamburgische Geschichte am Holstenwall einzog, bezog das Altonaer Museum sein Gebäude zwischen Altonaer Rathaus und Bahnhof in der Industriestadt Ottensen. Es war von Beginn an der Bildung für alle verpflichtet. Als Universalmuseum mit naturkundlichen, kultur- und kunsthistorischen Sammlungen zeichnete es sich durch ein international beachtetes, innovatives Konzept aus und war außerordentlich beliebt. Es bot neben den Ausstellungen auch Abendveranstaltungen und – für die Zeit ungewöhnlich – ein Museumscafé, damals »Erfrischungsraum« genannt. Auch wenn in den 1970er-Jahren die vor- und frühgeschichtlichen ebenso wie die naturkundlichen Sammlungen abgegeben wurden und der Schwerpunkt dann auf der Kulturgeschichte Norddeutschlands lag, blieb der Anspruch, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. 2006 wurden der »Kinderolymp« und das »Kinderbuchhaus« eingerichtet; seitdem prägen Familienangebote das Museum. Heute steht das Haus, ebenso wie seine Museumsschwestern in der Stiftung Historische Museen Hamburg, vor einer Neukonzeption. Erste Schritte waren Kooperationen mit verschiedenen Altonaer Communities, die Neugestaltung der eintrittsfreien Säulenhalle als Wohnzimmer und die »Wunderkammer« für junge Museumsfans. Mit der anstehenden Modernisierung will das Altonaer Museum sein Selbstverständnis als Ort kultureller Bildung in einem diversen Stadtbezirk wieder in den Mittelpunkt stellen. Die historische Grenze zwischen Altona und Hamburg ist noch heute markiert, und man kann ihr vom Fischmarkt bis zum Eimsbütteler Marktplatz folgen. Was bedeutet sie für zwei Museen, die beide Stadtgeschichten erzählen? Sie trennt unsere Häuser nicht, denn die besten Geschichten finden sich genau hier, auf der Grenze zwischen Hamburg und Altona. Der Fischmarkt St. Pauli erzählt die wirtschaftliche Konkurrenz der beiden Städte, nicht nur um den Fisch. Auf der Großen Freiheit spielten die Beatles im Star-Club, aber die katholische Kirche St. Joseph gegenüber erzählt von der wahren Freiheit, der Religionsfreiheit – die Altona ab dem 17. Jahrhundert gewährte, Hamburg damals jedoch nicht. In der Schanze erinnert die Rote Flora an die Krawalle rund um den G20-Gipfel 2017. Dieses Ereignis dokumentierten beide Museen, sodass im gemeinsamen Sammlungsdepot nun unter anderem eines der damals ausgebrannten Fahrzeuge auf eine Ausstellung wartet. Man kann sich gut vorstellen, wie Altonia und Hammonia gemeinsam entlang der Grenzlinie spazieren und sich diese und noch viele andere Stadtgeschichten erzählen. In diesem Sinne wünscht das Altonaer Museum seiner jüngeren Schwester alles Gute zum 100. Geburtstag und für die Zukunft noch viele gemeinsame Geschichten entlang der Grenze!
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