Leseprobe

53 der Fassadenputze. Noch weniger wissen wir über die Farbmaterialien und Farbgestaltungen, mit denen sich die Häuser den Betrachter:innen vor 1900 präsentierten. Insofern ist die Untersuchung nicht allein den Weg gegangen, die greifbaren Informationen und Fakten aus den Schriftquellen zusammenzutragen, sondern die Hauptaufgabe bestand darin (wie in späteren Kapiteln zu zeigen sein wird), aus der aufmerksamen Betrachtung der Fassadengestaltungen selbst Rückschlüsse auf die einstigen farblichen Behandlungen zu ziehen. SB Zerstörung und Sanierungsgeschichte – eine Einschätzung Während im Jahr 1945 fast die gesamte Innenstadt Dresdens durch die Bombardierungen des ZweitenWeltkriegs zerstört wurde, blieb das Gebiet der Äußeren Neustadt größtenteils verschont. Die typische Grundrissstruktur eines »rasterförmig aufgebaute[n] Straßensystem[s] und geschlossener Quartierbebauung [. . .] [sowie die] Formensprache des Historismus, dessen Stilphasen von der spätklassizistischen Schlichtheit über Anleihen aus Gotik, Renaissance, Barock bis zumJugendstil vertreten sind«,61 bieten einen großen Originalbestand als gute Grundlage für weiterführende Analysen. In der Nachkriegszeit standen allerdings nur wenig finanzielle Mittel zur Verfügung, die zudem vorrangig für den Wiederaufbau der zerstörten Stadtteile, aber insbesondere für neuen Wohnraum (in Neubaugebieten) benötigt wurden. Durch Vernachlässigung des Reparaturbedarfs über Jahrzehnte hinweg verfielen auch die Gebäude der Äußeren Neustadt zusehends. Doch nach derWiedervereinigung Deutschlands konnte das Gebiet auf Initiative der IGÄußeren Neustadt in den 1990er Jahren als erstes Sanierungsgebiet Dresdens festgelegt werden.62 Die Sanierungsarbeiten, welche die Gebäude und den Stadtraum, auch soziale Wohnverhältnisse sowie Infrastrukturmaßnahmen umfassten, sind weitgehend abgeschlossen. Besonders in der ersten Phase der Sanierungen musste innerhalb kürzester Zeit ein hohes Pensum an Projekten realisiert werden. Hauseigentümer:innen wurden dabei vom Stadtplanungsamt, der Unteren Denkmalschutzbehörde und der STESAD GmbH63 begleitet und unterstützt, um die Sanierungen unter Berücksichtigung satzungsmäßiger und denkmalpflegerischer Kriterien durchzuführen. Die dafür in der Unteren Denkmalschutzbehörde eingereichten Anträge übertrafen die personellen Kapazitäten jedoch bei weitem, so dass Ortsbesichtigungen damals nicht in jedem Fall möglich waren. Nicht zuletzt aufgrund dieses immensen Sanierungsdrucks unterblieben häufig restauratorische Bestandsuntersuchungen, beispielsweise auch Untersuchungen oder Dokumentationen zur historischen Fassadenfarbigkeit. Das Stadtplanungsamt konnte einen Großteil der Gebäude im Vorhinein besichtigen und den Hauseigentümer:innen denkmalgerechte Sanierungen empfehlen.64 Die rechtlichen Grundlagen mussten dafür klar definiert werden, denn in der Übergangszeit der frühen turbulenten ›Wendejahre‹ hatten übergangsweise noch die Denkmalschutzgesetze der DDR ihre Gültigkeit behalten. KM Archivlage, Quellen und Zeugen Die für die Neustadt zuständigen Denkmalpfleger der Unteren Denkmalschutzbehörde gaben Einblicke in ihreArbeit und den Umgang mit den Objekten der Äußeren Neustadt. Soweit möglich, konnten Bestandsuntersuchungen und Sanierungsdokumentationen ausgewertet werden. An ausgewählten Objekten ließen sich spezifische Aspekte des denkmalpflegerischen Umgangs vertiefen. Im Unterschied zur fallbezogenen Aktenablage in der Unteren Denkmalschutzbehörde sind die Akten und Dokumentationen der abgeschlossenen Sanierungen im Landesamt für Denkmalpflege systematisch nach Adressen erfasst. Pandemiebedingt waren Akteneinsichten jedoch nicht möglich, glei-

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