Leseprobe

88 Anders als Klinkerfassaden wurden bei Putzfassaden die geputzten Oberflächen nachträglich mit Farbanstrichen versehen. Anstriche wurden aufgetragen und dadurch die Wirkung der Fassaden beeinflusst, wodurch sich jene durch die Architekturgliederung vorbestimmten Fassadenwirkungen verstärken oder auch abmildern ließen. SB ZumMissverständnis der Farbgebung Einer der gravierendsten ›Fehler‹ bei Fassadenanstrichen entsteht, wenn sämtliche Putzflächen mit einem einzigen Farbton gestrichen werden. Vor dem Hintergrund finanzieller Zwänge mag es verständlich sein, den Mehraufwand zu meiden, mit Malerfirmen mehrere Farbtöne abzusprechen und abzustimmen, mehrere Farbtöne abmischen zu lassen, um sie in getrennten Arbeitsgängen aufzutragen – doch wird ein solches reduziertes Vorgehen den Fassadengestaltungen in keiner Weise gerecht. Der reiche und differenzierte Umgang der architektonischen Gestaltungen sollte uns in bester Weise herausfordern, in gleicher Weise über einen differenzierten – und was die Wirkungen anbelangt differenzierenden – Umgang nachzudenken. Zu beachten wäre beispielsweise, dass sich etliche Flächen mit Putzauftrag optisch viel stärker mit den Sandsteinelementen der Architekturgliederung verbinden sollten und aus diesem Grund nicht selten auch mit Sandsteintönen gestrichen wurden. Im Prinzip ist davon auszugehen, dass man eine Fassade, bei der sämtliche Putzflächen mit einem ›eintönigen‹ Farbanstrich versehen wurden, farblich ›falsch‹ behandelt hat. SB Fehler in der Gestaltung Kaum eine geputzte Fassade der Äußeren Neustadt weist heute eine Farbgestaltung auf, wie sie im späten 19. Jahrhundert ausgesehen haben dürfte. Bei genauerer Betrachtung erweist sich, dass die Putzfassaden fast durchweg gestalterische Fehler aufweisen, die durch die Farbfassung verursacht wurden. | Fehler 1: Am deutlichsten tritt das Missverständnis histori(sti)scher Architektur zu Tage, wenn die Fensterverdachungen (Gesimse, Dreiecks- oder Segmentbogengiebel) ohne Kontakt frei über den Fensterrahmungen zu schweben scheinen. Zwischen Rahmungen und Verdachungen wurden bei Sanierungen zumeist die Putzflächen glatt hindurchgezogen undmit demFassadenfarbton gestrichen. Was fehlt bzw. verloren ging, sind die Spiegel, die sich dort befunden haben. Man muss sich in der Regel dort leicht erhabene Putzflächen vorstellen, die dann mit einer ›Steinfarbigkeit‹ gefasst wurden, um so den gestalterischen F A R B G E B U NG Zur Farbfassung von Putzfassaden Z U R

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