Leseprobe

141 N A C H W O R T Mir ist noch einmal bewusst geworden, wie unsensibel und verständnislos nach der Wende mit den Putzfassaden (auch den Fenstern) umgegangen worden ist. Ich bewege mich nach dem Lesen Ihres Werkes aufs Neue ganz neugierig durch meinen Stadtteil. Nach dem Abschluss der Sanierungen in der Neustadt hatte man sich schon sehr an den Status quo gewöhnt. Ich denke gerade darüber viel nach, warum es so ist, wie es ist. Zum Teil haben Sie es schon in der Arbeit beschrieben. Es ging natürlich oft darum, die Häuser erst einmal zu retten und vernünftigeWohnbedingungen zu schaffen. Darüber hinaus war die sächsische Politik darauf bedacht, Investoren (die ›scheuen Rehe‹) nicht auszubremsen. Der Denkmalschutz hatte einen schweren Stand (als ›Verhinderer‹). Die Äußere Neustadt mit ihren alternativen Lebensformen war vielen ein Dorn im Auge. Man wollte den Stadtteil möglichst glattbügeln. Dazu kam noch immer die Auffassung, dass die Architektur der Gründerzeit nichts wert sei. Dies war insbesondere bei Architekten verbreitet, aber durchaus auch bei Denkmalschützern. Dabei muss man festhalten, dass es in anderen Stadtteilen (Hechtviertel, Pieschen) noch viel verheerender aussieht. Gefreut habe ich mich sehr, dass der Bischofsweg 40 so gut weggekommen ist [vgl. Titelfoto]. Dieses Gebäude gehörte seinerzeit zu meinen ersten größeren Projekten. Ich kann mich noch gut erinnern, wie lange es gedauert hat, bis ich eine Antwort für die Rekonstruktion der Fassade gefunden hatte. Die in IhremWerk angesprochenen Klinkerfassaden dienten damals in der Tat als Orientierung, da sie nicht verfälscht waren und oft einen in sich schlüssigen Eindruck machten. Obwohl man sagen muss, dass die Klinkerfassaden eher zu einer späteren Phase gehörten. Klinker waren völlig untypisch für Dresden. Bis weit in die 1880er Jahre waren Putzfassaden bestimmend. Später (mit den technischen Fertigungsmöglichkeiten) trat dann an die Stelle des Putzes auch der Klinker. Viel geholfen hat mir damals auch die Doktorarbeit von Gabi Bernardt, die Architektin und Kollegin Anke Vogt, die Fotodokumentation der IG Neustadt, der ›Löffler‹ (Fritz Löffler, Das alte Dresden – Geschichte seiner Bauten, div. Auflagen; der sich am Ende auch für die Gründerzeit geöffnet hatte) und Publikationen von Volker Helas. Ja, es ist leider immer noch so, dass die Gründerzeitfassaden zumeist nur als Dekoration verstanden und die historischen Vorbilder und auch Funktionen ignoriert werden. Auch in der modernen Architektur geht es heute nur darum, etwas an die Fassade zu pappen, damit es nicht ganz so langweilig ausschaut. Im Allgemeingebrauch spricht man ja auch weniger von Gestaltung, sondern benutzt die Worte ›Dekor‹ oder ›look‹. Ich glaube, durch die moderne Medienwelt verstärkt sich die Wahrnehmung der Fassade als austauschbare Dekoroberfläche. Nichtsdestotrotz ist für den Interessierten ein schöner Leitfaden entstanden. Vielen Dank. Uwe Schneider (Diplomingenieur)

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