37 Unmöglich, sich sattzusehen! Immer wieder lassen sich neue verführerische Details auf dem Stillleben von Johannes Hannot (1633–1684) entdecken (Abb. 1). Der Künstler lädt uns dazu ein, zu verweilen und zu genießen, sein malerisches Können zu bewundern und seinem Werk schauend einen Sinn zu geben. Wie strahlend die verschiedenen Weinbeeren glänzen, wie die Ranken kalligrafisch das Bildfeld erschließen, wie der zarte Schmelz des chinesischen Porzellans oder die Spiegelung des Zinntellers inszeniert sind, bereitet eine ungemeine Freude beim Betrachten.1 Es ist die Exaktheit in der Wiedergabe, die Detailgenauigkeit, die oftmals zuerst mit Stillleben assoziiert wird. Diese Eigenschaft weist das Gemälde von Hannot ohne jede Frage auf, erschöpft sich aber keineswegs in ihr. Der Maler achtet darauf, die Gegenstände geschickt zu einem dreiecksförmigen Ensemble zu arrangieren. Gekonnt unterstützt die Verteilung der unterschiedlichen Farben den Aufbau. Die warmen Gelbtöne der Früchte spannen eine Basis auf, über der das Porzellan ein schimmerndes Zentrum aus luftigem Blau-Weiß bildet, das in die delikaten Grüntöne der Traube übergeht. Doch nicht nur die Komposition, auch die Lichtführung ist entscheidend, die jeden Gegenstand in seiner Einzigartigkeit hervorhebt und zugleich alles zu einer Einheit vor dunklem Grund zusammenschließt, das Glas transparent und die Früchte plastisch erscheinen lässt. Und doch: Auch die genaueste Beschreibung kann das Bild nicht einholen, immer bleiben Details, kompositorische Eigenheiten, malerische Finessen und sinnstiftende Zusammenhänge unbenannt. Selbst nach längerer Betrachtung öffnet sich immer noch der Blick auf Neues. Zudem sind die sich anschließenden Fragen nach den Hintergründen, der Symbolik und dem Sinn des Arrangements noch gar nicht gestellt. StillLeben! Die Sprache der Dinge AL EXANDRA KÄS S · J AN - DAV I D MENTZE L B I RG I T UL R I K E MÜNCH
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