66 Global Player Der Weg zum Erfolg: die Niederlande als Handelsnation Viele Faktoren waren am wirtschaftlichen Erfolg der Niederlande beteiligt – die Bevölkerungsdichte und hohe Urbanisierung, viele Flüsse und Kanäle und eine entsprechend günstige Infrastruktur für den Binnenhandel per Schiff, Erfolge im Ostseehandel seit dem frühen 15. Jahrhundert, die Innovationskraft in Schiffbau, Instrumentenbau, Navigation und Kartografie, etwa bei der Entwicklung kleinerer und preiswerter Schiffe und den dadurch erzielten Wettbewerbsvorteilen. Hinzu kamen ein trotz – oder gerade wegen – der finanziellen Belastungen des achtzigjährigen Unabhängigkeitskrieges gegen Spanien (1568–1648) funktionierendes Staatswesen und last, but not least erstaunliche Erfolge im globalen Handel. »Die Niederländer sind die Fuhrleute der Welt, die Vermittler im Handel, die Faktoren und Makler Europas; sie kaufen, um wieder zu verkaufen, sie führen ein, um auszuführen; und der größte Teil ihres riesigen Handels besteht darin, von allen Teilen der Welt versorgt zu werden, um die ganze Welt zu versorgen.«1 Das schrieb der Autor Daniel Defoe noch 1728 in einem Traktat. Hierbei spielte die 1602 gegründete Ostindien-Kompanie (VOC) eine tragende Rolle. Sie sorgte für eine 200-jährige Vormachtstellung der Niederländer im Asienhandel. Die Gesellschaft, ein staatlich legitimierter und privilegierter Zusammenschluss von Kaufleuten, galt als größtes und wirtschaftlich erfolgreichstes Handelsunternehmen des 17. Jahrhunderts. Ebenfalls erfolgreich, aber finanziell nicht annähernd so wichtig, war die kurze Zeit später gegründete Westindien-Kompanie (WIC). Beide Kompanien sollten die Zersplitterung der niederländischen Kaufleute in konkurrierende Handelsunternehmen beenden. Sie erhielten weitreichende Hoheitsrechte, zu denen beispielsweise zählte, Kriege zu führen, Siedlungen in Übersee zu gründen und ihre eigene Rechtsprechung durchzusetzen. Zunächst wurde der VOC in ihrem Gründungsjahr staatlich ein 21 Jahre währendes Monopol für den Gewürzhandel mit Südasien zugeteilt, der besonders hohe Gewinne versprach. Zumindest im 17. Jahrhundert konnten die in Asien erworbenen Gewürze und später auch Luxusgüter in Holland für den dreifachen Preis verkauft werden. Durch ihren rasant expandierenden Asienhandel importierten die Niederländer so einerseits Waren wie Gewürze, Kaffee oder Tee, brachten andererseits aber auch die niederländische Kultur sowie ihre Waren und Werte – ob gewollt oder ungewollt – in die neuen Niederlassungen in Asien. In zwei Jahrhunderten transportierte die VOC mit ca. 4 700 Schiffen mehr als eine Million Menschen (Abb. 1). Von den 5 000 Menschen, die jährlich per Schiff nach Südostasien reisten, blieben etwa zwei Drittel dort.2 Viele von ihnen dauerhaft, sodass die niederländische Kultur in den von einer multikulturellen Bevölkerung geprägten Handelsposten einen großen Einfluss hatte.3 Die Reise nach Batavia (dem heutigen Jakarta, Indonesien) dauerte etwa 200 bis 258 Tage, die Rückfahrt 218 bis 230 Tage – eine gefahrvolle und lange Reise, die durch die Bemühungen der VOC immer sicherer wurde. Dennoch blieb die Sterberate hoch: Zwischen 1670 und 1680 betrug sie auf der Hinfahrt neun Prozent, auf der Rückfahrt rund sechs Prozent.4 Die vergleichsweise gute Entlohnung inklu1 Detail
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