67 Abb. 1 N I EDER - L ANDE ( ? ) Spiegelretourschiff »De Eendragt« 3. Viertel 18. Jh., 97×96×46 cm, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, HM1016 sive voller Verpflegung des Schiffspersonals sowie die guten Aufstiegschancen erklären – allen Gefahren zum Trotz – die hohe Nachfrage nach einer Beschäftigung auf See bei der VOC. Einfache Matrosen verdienten zwar nur 84 bis 132 Florin pro Jahr, da sie das Geld aber unterwegs nicht ausgeben konnten und dazu noch die Möglichkeit des Zuverdiensts durch illegalen, aber von den Verantwortlichen der VOC stillschweigend geduldeten privaten Handel hatten, konnten sie von der Entlohnung gut leben.5 Überseefahrten nach Asien und Amerika wären ohne nautische Instrumente wie Kompass oder Sextant sowie gute und vor allem stets aktuelle Karten nicht denkbar gewesen. Seit den 1570er-Jahren waren die Niederländer in der Produktion von Karten und Atlanten federführend. Nicht zuletzt verrät die Form der Karten aber auch immer etwas über das herrschende Weltverständnis – nach und nach erfolgte damit ein »Wandel vom symbolischen Rund der christlichen Heilsgeschichte zur modernen, vermessenen Weltkarte«.6 Genau dies spiegelt sich durch Globus, Atlanten, Karten und nautische Geräte im Stillleben wider. Genau wie die konkurrierenden Seemächte Portugal und Spanien, und später vor allem England, sicherten die Niederländer ihre Überseerouten durch die Errichtung von zahlreichen Stützpunkten entlang der Küsten. Dabei kam es immer wieder zu gewaltsamen und kriegerischen Auseinandersetzungen um Niederlassungen, aber auch um Handelsprivilegien und -verträge. Wurden diese verletzt, griff die VOC häufig zu Gewalt: Vertragsbrüchige Produzenten wurden getötet oder versklavt, Plantagen und Waren zerstört – nicht zuletzt, um die Preise in Europa hochzuhalten.7 1619 gelang der VOC die Erstürmung des späteren Batavia, das mit großem Aufwand zu einer Festung ausgebaut wurde und sich zum neuen Hauptsitz für den niederländischen Asienhandel entwickelte (Abb. 2). Die Darstellung des eindrucksvollen Kastells zeigt auch deutlich den militärischen Aspekt der Handelsstützpunkte, die immer wieder gegen andere europäische Nationen – in Ostasien insbesondere gegen die Portugiesen und später gegen die Engländer – verteidigt werden mussten. Besonders bemerkenswert war die Präsenz der niederländischen Kaufleute in Japan: Zwischen 1641 und 1853 waren sie die einzigen Europäer, denen eine Niederlassung auf japanischem Boden erlaubt wurde, wenn auch nur auf der vorgelagerten Insel Deshima.8 Neben strategisch gewählten Stützpunkten in Asien und Amerika spielte das bis dato völlig neue Finanzierungsmodell der Handelsgesellschaften eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Niederlande. Die VOC gilt als die erste konzessionierte Aktiengesellschaft der Welt. Anteilsaktien der VOC, der WIC und anderer Gesellschaften wurden an der Börse Amsterdam verhandelt. Viele Einzelpersonen konnten jeweils kleine Anteile an der Gesellschaft erwerben und damit zur Finanzierung der Schiffreisen beitragen. Dadurch stand mehr Kapital zur Verfügung, und das Risiko des finanziellen Verlusts im Fall eines Scheiterns der Unternehmung wurde auf viele Schultern verteilt und dadurch kontrollierbar. Auch bei Schiffen fand dieses Finanzierungsmodell Anwendung, sodass einzelne Schiffe mehr als 60 Anteilseignern gehören konnten. Phänomene moderner Aktiengesellschaften, etwa die Trennung von Eigentum und Management, die Ausbildung einer Unternehmensidentität und die juristische Form der Gesellschaft als unabhängige Rechtspersönlichkeit wurden erstmals durch die VOC angewandt.9
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1