16 die jüngere Vergangenheit erwarb die Anhaltische Gemäldegalerie Zeichnungen aus der Kunsthandlung sowie aus der Sammlung Werner Spielmeyers. Für eine Gruppe von 33 altdeutschen Zeichnungen, die 1958 angekauft wurde, wird in der Museumsdokumentation eine Herkunft aus dem Dessauer Residenzschloss angegeben.32 Die in der vorliegenden Auswahl enthaltenen Zeichnungen von Wilhelm Krause (Kat.- Nr. 83) und Eduard Gaertner (Kat.-Nr. 70) markieren mit ihren Erwerbsdaten 1947 und 1989 zwei Eckpunkte der nachweisbaren direkten Ankäufe aus der Kunsthandlung und Sammlung Spielmeyer. Ihre Thematik und das belegte Auftraggeberverhältnis Herzog Leopold Friedrichs zu ihren Urhebern lassen die Herkunft der Blätter aus der Herzoglichen Sammlung plausibel erscheinen. Welche Rolle die Kunsthandlung Spielmeyer vor 1945 bei den direkten Erwerbungen der Anhaltischen Gemäldegalerie aus der Herzoglichen Sammlung spielte, ist bisher nicht erforscht. Unter ihnen stellte der Ankauf des sogenannten Erdmannsdorff-Nachlasses im Sommer 1933 mit Sicherheit die meistbeachtete Ergänzung der noch jungen Graphischen Sammlung dar. Nachdem das Land Anhalt die ungefähr 600 Zeichnungen erworben hatte, wurden sie im Herbst 1933 in einer gut besuchten Sonderausstellung dem Publikum präsentiert.33 Das große öffentliche Interesse erklärt sich durch die besondere Rolle, welche der aus Dresden stammende Hofkavalier und Architekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736–1800, Abb. 10) in der Dessauer Kultur- und Kunstgeschichte gespielt hatte. Seit der Jugend mit Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau eng befreundet, war er als Architekt zahlreicher klassizistischer Bauten in der Residenzstadt und dem umgebenden »Gartenreich« für den nachhaltigsten Bestandteil des fürstlichen Reformwerks verantwortlich. Dessen pädagogischer Impetus zeigt sich auch in Erdmannsdorffs Plänen, in Dessau eine Zeichenschule zur Ausbildung des Handwerkernachwuchses zu errichten,34 was aber erst 1888 mit der Gründung der Handwerker- und Kunstgewerbeschule gelang (vgl. Kat.-Nr. 99). Der seit 1933 verwendete Begriff »Erdmannsdorff-Nachlass« vermittelt den Eindruck eines klaren Wissens um Herkunft, Umfang und Urheberschaft der Werkgruppe, der sich bei genauerer Betrachtung der bekannten Fakten jedoch schnell verflüchtigt. Zwar konnte zuletzt gezeigt werden, dass im Todesjahr Erdmannsdorffs 1800 tatsächlich vor der Auktionierung der hinterlassenen Besitztümer eine Sammlung von »Kunstsachen« aus der Versteigerungsmasse herausgelöst und höchstwahrscheinlich direkt für die Sammlung des Fürsten erworben wurde.35 Der Bestand an Zeichnungen und Druckgrafiken wird in einem erhaltenen Nachlassinventar jedoch nur recht pauschal aufgeführt. In drei von 52 Unterpunkten erscheinen hier: eine unbestimmte Zahl von Blättern in »verschiedenen Portefeuillen und andern Behältnissen«, welche eine »sehr ansehnliche Sammlung der vorzüglichsten architectonischen und andern Zeichnungen, auch Kupferstichen« ausmachen, »eine Mappe mit alten Handzeichnungen, von verschiedenen Meistern« und »eine Parthie Kupferstiche und Zeichnungen, von verschiedenen Meistern«.36 Da keine Inventare der fürstlichen Sammlungen bzw. des späteren Herzoglichen Kupferstich-Kabinetts überliefert sind, gibt erst Riesenfeld in seiner Biografie des Architekten von 1913, welche ein »Verzeichnis der Originalzeichnungen Erdmannsdorffs« enthält, wieder einen Hinweis auf den möglichen Verbleib der Werkgruppe.37 Er führt (teils nur pauschal klassifiziert, aber mit Inventarnummern versehen) 572 Zeichnungen im Kabinett des Herzogs auf, welche sich in großen Teilen in der heutigen Sammlung der Anhaltischen Gemäldegalerie nachweisen lassen, sodass bereits die Vermutung geäußert wurde, es handele sich bei den von Riesenfeld aufgelisteten um die »ungefähr 600 Blätter«, welche 1933 erworben wurden.38 Bestimmend für die Rekonstruktion des »Erdmannsdorff-Nachlasses« war lange die Annahme, dass es sich bei den Ornament- und Architekturzeichnungen sowie Figuren- und Landschaftsstudien um eigenhändige Werke des Architekten und seiner Mitarbeiter handele. Erst durch die wissenschaftliche Bearbeitung in den letzten vier Jahrzehnten konnte ein großer Teil – auch der von Riesenfeld als »Originalzeichnungen Erdmannsdorffs« klassifizierten Blätter – anderen Künstlern zuge-
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