Leseprobe

128 1 Salge 2006, S. 69. 2 Fontane 1863, S. 167. 3 URL: https://brandenburg. museum-digital.de/index.php?t= objekt&oges=3808 (letzter Zugriff am 7. 9. 2022). Friedrich Gilly GARTENANSICHT DES SCHLOSSES STEINHÖFEL 51 vor 1797 Aquarell, Feder 27 × 42,6 cm (Darstellung); 35 × 48,6 cm (Kaschierung und Rahmung) Inv.-Nr. Z II 1674 Prov.: Familie von Massow, Steinhöfel Lit.: Fontane 1863, S. 166–167 Friedrich Gilly (Altdamm bei Stettin 1772– 1800 Karlsbad) Erster Unterricht bei seinem Vater, dem Baurat David Gilly. Ab 1789 angestellt am Berliner Oberhofbauamt, wo er unter Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und Carl Gotthard Langhans arbeitet. Zeichenunterricht erhält er u. a. von Daniel Chodowiecki. 1797/98 (über Dessau und Wörlitz) Reise nach Frankreich, England und Österreich. 1797 Bauinspektor und nach 1798 auch Professor der Berliner Bauakademie. Sein bekanntestes Werk ist der Entwurf eines dorischen Tempels auf hohem Sockel als Denkmal für Friedrich den Großen von 1796. Die Ansicht zeigt das in einen Landschaftsgarten eingebettete Schloss Steinhöfel, das unter Einbeziehung eines Vorgängerbaus für Valentin von Massow, Intendant der königlichen Schlösser und Gärten, durch David Gilly unter Mitarbeit seines Sohnes Friedrich um 1790/1795 errichtet wurde. Von Massow war ab 1792 Obermarschall des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (III.); ihm oblag im Rahmen dieses Amtes unter anderem die Neueinrichtung des Berliner Kronprinzenpalais. Als Ehrenmitglied der Abteilung Baukunst der Berliner Akademie der Künste war von Massow stark an allen architektonischen Entwicklungen interessiert. Insofern konnten die Gillys Steinhöfel zu einem Mustergut umgestalten, das zu einem weithin ausstrahlenden »Initialbau der neuen künstlerischen, gärtnerischen und ökonomischen Ideen«1 wurde. Gillys Blatt ist eines von sieben Aquarellen, die Theodor Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg im Schloss Steinhöfel vorgefunden und beschrieben hatte; zwei nach 1805 entstandene Ansichten stammen von Schinkel (vgl. Kat.-Nr. 52), fünf frühere von Friedrich Gilly. Alle Blätter Gillys tragen den Titel Vue de Steinhoeffel, sie zeigen das Schloss und die Parkarchitekturen als Teil der gestalteten Landschaft. Unser Blatt zeigt nach Fontane »das Schloß, wie es sich vor 50 oder 60 Jahren präsentirte, wenn man von der Dorfgasse her in den Park einbog«.2 Der Eingangsbereich mit den rahmenden, laternengeschmückten Sphingen nach dem Entwurf von Johann Gottfried Schadow (um 1792) bildet die Vordergrundbühne, von der aus sich geschlängelte Wege in den Gartenraum hinein entwickeln. Den Knotenpunkt dieser Wege markieren zwei spielende Knaben mit einem großen Hund. Es spricht einiges dafür, in ihnen Valentin (geb. 1793) und Ludwig (geb. 1794), die beiden ältesten Söhne von Massows, zu erkennen. Dem Schloss mit seinen rückwärtigen Bauten ist der Bibliotheksbau im Park in Form eines Prostylos-Tempels gewissermaßen an die Seite gestellt; derartige Tempelchen finden sich in den englischen Gärten dieser Zeit sehr häufig. Im Hintergrund bildet eine kleine Brücke den Point de Vue. Das Kronprinzenpaar zeigte sich bei einem Besuch Steinhöfels 1794 so begeistert von der Anlage, dass es beschloss, seinen künftigen Sommersitz in Paretz ähnlich zu gestalten, wiederum unter der Leitung von Vater und Sohn Gilly. Ein Kupferstich von Johann David Frick nach dieser Ansicht Gillys wurde in die 1797 in Berlin bei Unger publizierte Sammlung einiger nützlicher Aufsätze die Baukunst betreffend aufgenommen. Wenig später erschien eine Aquatinta-Radierung von Johann Gottlob Schumann nach Gilly in dem Tafelband Landsitz des Königlichen Hofmarschalls v. Massow i. d. Churmark in Dresden.3 Die Blätter wurden koloriert und zweifarbig vertrieben – sie vermittelten somit das neue Architektur- und Landschaftsideal einem interessierten Publikum. Gleichwohl wurde der Bau in den 1880er-­ Jahren erneut umgestaltet, nun stärker spätklassizistisch orientiert. AD

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