164 1 Richter 1886, S. 159. Christian Friedrich Gille IM WIESENGRUND BEI BRIESNITZ, 25. JULI 1832 68 1832 Öl auf Papier, auf Pappe kaschiert 29,3 × 25,2 cm bez. unten links: »Brisnitz am 25 Juli 32« Inv.-Nr. Z 1028 Lit.: Ausst.-Kat. Dresden/ Bremen 1994, S. 85, Kat.-Nr. 9; Spitzer 2018, S. 221, Taf. 80 Christian Friedrich Gille (Ballenstedt 1805–1899 Dresden) Gille wird 1825 als Schüler der Dresdner Akademie eingeschrieben, empfing aber wohl schon davor eine erste künstlerische Ausbildung durch seinen Vater, einen Gardisten, der auch als Porträt- und Porzellanmaler erwähnt wird. 1827–1830 Atelierschüler bei Johan Christian Clausen Dahl. Ab Anfang der 1830er-Jahre Tätigkeit als Lithograf. Seit 1866 erhält Gille verschiedene Zuwendungen für mittellose Künstler. Die in Öl auf Papier ausgeführte Studie eines stark begrenzten Landschaftsausschnitts, eines »Rasenstücks«, beeindruckt in ihrer spontanen, aber dennoch exakten Niederschrift des unmittelbaren Naturerlebnisses. Der Grünton der größeren Blätter variiert nach ihrer Neigung und Ausrichtung im Sonnenlicht. Die mit feinerem Pinsel gezogenen hellen Linien bezeichnen zunächst keine Grashalme, sondern fixieren lediglich das auf ihnen reflektierte Licht. Der Fokus ist auf die Pflanzen des Vordergrunds gelegt, die Felsformationen des Hintergrunds sind nur locker angedeutet. Mit dem Pinselstiel in die feuchte Farbe geritzt, sind mit »Brisnitz am 25 Juli 32« Entstehungsort und -tag genau angegeben, was darauf hinweist, dass die Ölskizze en plein air, vor dem Motiv in freier Natur entstanden ist. Solche Naturstudien wurden nicht als vollendete Werke betrachtet und waren nicht für die öffentliche Präsentation gedacht. Es gehört zum individuellen Schicksal Gilles, dass seine sehr wenigen vollendeten Gemälde, die er auf Ausstellungen gab und zu verkaufen versuchte, wenig Beachtung fanden, während sein umfangreiches Œuvre an temperamentvoll zufassenden Naturstudien erst nach seinem Tod entdeckt und in seiner künstlerischen Qualität gewürdigt wurde. Bezeichnend ist für diese Ölskizzen und -studien, wie Gille anhand von ausgesprochen anspruchslosen Naturausschnitten (meist aus der ländlichen Umgebung Dresdens) eine Fülle von Beobachtungen zu den Wirkungen von Licht und Atmosphäre anstellte und diese vor Ort in zügiger Pinselführung festhielt. Gille führte damit die Methode der unmittelbaren malerischen Naturerfassung, wie er sie bei Johan Christian Clausen Dahl kennengelernt hatte, zu einer für Dresden ungewöhnlich radikalen Ausformung. Zu einer Zeit, in welcher der ebenfalls in Dresden aktive, aber erfolgreichere Ludwig Richter (vgl. Kat.-Nr. 86) sich über die während seines Italien-Aufenthalts beobachteten französischen Maler amüsierte, »welche mit großen Borstpinseln halb fingersdick« die Ölfarbe direkt in der freien Natur – eben en plein air – vermalten,1 begab sich der in der sächsischen Residenz ganz unbeachtete Gille auf einen ähnlichen Weg der künstlerischen Wirklichkeitsaneignung. RR
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