212 1 Thode 1909, S. XXIV, XXV mit dem hier abgedruckten Zitat. 2 Zit. nach ebd., S. XXIV, XXV. Hans Thoma SPEZIA, 1. JUNI 1874 91 1874 Gouache auf Pappe bez. unten links: »Spezia 1. Juni 1874«; unten rechts: »Hans Thoma« bez. auf der Rückseite u. a.: »Dies Bild ist von mir nach der Natur mit gemalt in Spezia 1874/ Karlsruhe, 24. Januar 1912/Hans Thoma« 31 × 42 cm Inv.-Nr. Z II 1857 Prov.: Galerie Nicolai Berlin; 1928 Ankauf durch den Freistaat Anhalt (Nr. 292) Lit.: Kat. Dessau 1929, S. 73, Nr. 292 Hans Thoma (Bernau 1839–1924 Karlsruhe) Nach einer Lehre als Lithograf und Tätigkeit als Dekorationsmaler geht Thoma 1859 an die Kunstschule in Karlsruhe. Seit 1866 in Düsseldorf, beeindrucken ihn bei einem ParisAufenthalt Gustave Courbet und die Pleinairmaler von Barbizon. 1870 tritt Thoma in München mit dem Kreis um Wilhelm Leibl in Verbindung. 1874 reist er nach Italien und begegnet in Rom Hans von Marées und Adolf von Hildebrand. Ab 1899 Professor der Akademie und Leiter des Museums in Karlsruhe. Mit seiner künstlerischen Arbeit polarisiert er die zeitgenössische Kunstkritik und erlangt erst im fortgeschrittenen Alter Anerkennung. Von Februar bis Juni 1874 unternahm Thoma gemeinsam mit seinem Malerfreund Albert Lang seine erste und vier Monate andauernde Italienreise. Neben Aufenthalten in der Toskana und einem längeren Halt in Rom machten sie am Ende der Reise mehrere Tage Station in La Spezia. Das Meer beeindruckte hier besonders Hans Thoma, wie er sich noch Jahre später erinnerte.1 Nur wenige Arbeiten der ersten Italienreise haben sich erhalten. In den kommenden Jahren kehrte Thoma mehrmals an diesen Küstenstrich zurück. Die Zeichnung zeigt einen Abschnitt der Steilküste bei La Spezia. Die Ortsangabe mit Datum hat Thoma handschriftlich in der linken unteren Bildecke angegeben. In einem engen Bildausschnitt den steilen Hang hinaufgeführt, geht der Blick zuerst über einen felsigen Abschnitt, auf dem ein kleineres Gebäude steht. Es wird von einer Gruppe kleinerer Bäume, Sträuchern und Agaven hinterfangen, die den Blick hinauf zu den Überresten eines auf dem Fels aufragenden und von einer Mauer umfassten Plateaus lenken. Über der Mauer ragt das Dach eines weiteren Gebäudes auf. Überspannt wird die Szenerie von einem wolkenlosen Himmel. Thoma entdeckte während seines Aufenthalts in Italien für sich die Möglichkeiten, mit Licht und Schatten seinen Landschaftsdarstellungen räumliche Tiefe zu geben und kompositorische Schwerpunkte zu setzen. In dieser Zeichnung bilden die Vegetation und die Gebäude den kompositorischen Schwerpunkt. Die Wirkung des Schattens scheint Thoma hier umzukehren. Denn der wenige Schatten und der blaue Himmel erzeugen eher den Eindruck flirrender Mittagshitze. Die Zeichnung ist bisher unpubliziert und ergänzt die wenigen überlieferten Zeichnungen dieser für den Künstler so wichtigen Reise. Noch im Jahr 1874 setzte Thoma seine Eindrücke dieser steilen Küste in einem Gemälde um. Das sich heute in der Kunsthalle Mannheim befindende Bild zeigt den Küstenabschnitt mit der üppig am Hang wachsenden Vegetation und dem kleinen Gebäude auf dem Plateau aus einer veränderten Perspektive. NW »So zur Mittagsstunde hoch oben auf dem Felsen bei Porto Venere sitzen, in die blaue Unendlichkeit von Meer und Himmel hinaussehen, unten schäumt die Brandung, die nach und nach zu einer Musik wird und herauftönt, wie Menschenohren sie nur in den seltensten Stunden als Weltharmonie höchster Ordnung auffassen können. Oder im blühenden Olivenhaine, den ganz eigenartigen Duft, der sich mit der Meeresluft, die aus dem Blauen heranweht, so schön vereinigt — das Bienengesumme in den gelblichweißen Blüten auf kristallblauen Gründen — das Gefühl der Unendlichkeit überkommt uns, so daß wir die Sinne verhüllen, um in die tiefste Einsamkeit unsers Seins zu versinken. — Die Sinne nach der höchsten Empfänglichkeit geschlossen, in diesem Grunde der einsamsten Wunschlosigkeit, da fühlt man sich der Einheit nahe, in der alle Schöpfung ruht. — Gott in uns, kein fremder Begriff von außen, kein Wesen, das aus der Ferne schafft. — Unser Sein ist mit ihm verknüpft, in ihm gegründet, und auch der Tod kann uns von Gott nicht trennen. Da, auf diesem Grunde einsamster Wunschlosigkeit, erfährt man, nicht etwa, daß man eine Seele hat, sondern daß man eine Seele ist.« Hans Thoma2
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