10 Auch der neueren Forschung ist es bisher nicht gelungen, die genaue Herkunft der beiden Klebebände zweifelsfrei zu bestimmen. Inzwischen konnte jedoch die Vermutung, die Blätter seien im 17. Jahrhundert in der Schweiz zusammengetragen worden, präzisiert werden. Unter den jüngeren Zeichnungen des Konvoluts befinden sich viele Werke der Schaffhauser Künstlerfamilie Meyer, sodass die Annahme plausibel erscheint, diese habe die Zeichnungen in ihrer Werkstatt zusammengestellt und nach dem Tod Conrad Meyers (1618–1689) verkauft.6 In der Sammlung der Grafen und Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen sind die Zeichnungsbände durch einen heute verschollenen Bibliothekskatalog erstmals 1715 in Arnstadt nachgewiesen.7 Damals residierte dort Anton Günther II. (1653–1716), welcher nicht nur als eifriger Sammler, sondern auch als Musikfreund bekannt war, unter dem der junge Johann Sebastian Bach 1703 in die schwarzburgische Residenzstadt verpflichtet wurde. Seine Bibliothek ging 1748 durch verwandtschaftliche Verbindungen – und nicht, ohne die Gerichte angemessen zu beschäftigen – an die Fürsten von Anhalt-Bernburg, welche sie im gerade fertiggestellten Regierungsgebäude am Markt der Saalestadt aufbewahrten (Abb. 2).8 Dort blieben die in den beiden Bänden zusammengestellten 377 Zeichnungen nicht unbeachtet. Der anhalt-bernburgische Hofprediger Friedrich Hoffmann (1796–1874) hegte 1826 den Plan, einige der Blätter in Lithografien vervielfältigen zu lassen, sie zu publizieren und anschließend Johann Wolfgang Goethe um eine Besprechung in der Zeitschrift Kunst und Alterthum zu bitten.9 Hoffmann amtierte als Geistlicher in der Residenz des bernburgischen Hofes in Ballenstedt, wohin 1833 auch Wilhelm von Kügelgen (vgl. Kat.-Nr. 76) als Hofmaler verpflichtet wurde. Ob der Autor der Lebenserinnerungen eines alten Mannes, der einen engen Umgang mit dem Hofprediger pflegte, von ihm auf die Zeichnungen in Bernburg hingewiesen wurde, ist bisher nicht bekannt. Gut bekannt waren die Bände mit den wertvollen altdeutschen Blättern damals jedoch in Berliner Museumskreisen. 1854 ließ sich Ignaz Maria von Olfers (1793–1872), Generaldirektor der Königlichen Museen, die Bände in die preuAbb. 3 1914 gab der Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts Max J. Friedländer einen repräsentativen Band mit einer Auswahl von 81 reproduzierten Blättern aus der ehemaligen Bernburger Zeichnungssammlung heraus, welche seit 1877 in der Dessauer Behördenbibliothek aufbewahrt wurde. Der Stuttgarter Verleger dieses Prachtbands war ein Großneffe des Ballenstedter Hofpredigers Hoffmann, der die Zeichnungen bereits 90 Jahre vorher in Lithografien veröffentlichen und Goethe als Rezensenten hatte gewinnen wollen. Titelblatt des Buches, Wissenschaftliche Bibliothek der Anhaltischen Landesbücherei Dessau
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