Leseprobe

Zur Geschichte der Kennerschaft in Weimar Abb.3 »Kupferstichschrank« Weimar, Goethe-Haus am Frauenplan John bringt Papier und Bleystift mit, um ihre Gedanken und Entscheidung sogleich ohne Ihre Beschwerde aufzuzeichnen.«8 Goethe hatte eine Beziehung zu Rembrandts Radierung gleichen Themas gesehen und ging wohl davon aus, nun die Vorzeichnung dazu in den Händen zu haben. Am 13. März bereits bestätigte er Boerner den Ankauf.9 Wenige Tage danach schrieb er an den Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777–1857), dass er sich fortwährend mit dieser »Capitalzeichnung von Rembrandt« auseinandersetze und zu diesem Zweck »andere Werke dieses unvergleichlichen Meisters hervorsuche und in sein Verdienst einzudringen mir zur Angelegenheit mache«.10 Wieder also diente das Arbeitszimmer, wie zu vermuten ist, als Bilderlabor, diesmal, um sich in das zeichnerische wie grafische Werk Rembrandts einzuarbeiten. DI E ZE I CHNUNGSSAMMLUNG IM HAUS AM FRAUENPL AN Dem Vorwort von Johann Christian Schuchardt zum Katalog der Kunstsammlungen Goethes von 1848 entnehmen wir, dass Goethe eine kleine Auswahl von Zeichnungen an den Wänden des sogenannten Deckenzimmers aufgehängt hatte (vgl. Tafel, S. 30f.).11 Die Blätter waren zu diesem Zweck mit einem Passepartout, handgezogenen Einfassungen und Glasrahmen versehen worden. Unter den so präsentierten Zeichnungen befand sich auch die erwähnte »Rembrandt«-Zeichnung.12 Von anderen niederländischen Künstlern waren ebenfalls in Goethes Arbeitsräumen gerahmte Zeichnungen zu sehen. Den damaligen Zuschreibungen folgend, handelte es sich um Zeichnungen von Peter Paul Rubens (1577– 1640), Abraham Bloemaert (1566–1651) und Jacob de Wit (1695– 1754).13 Und auch die Zeichnung eines »aeltere[n] deutsche[n] Künstler[s]« stammt nach heutiger Kenntnis von der Hand eines niederländischen Künstlers des 16. Jahrhunderts.14 Das Gros der Zeichnungssammlung Goethes hingegen war in Grafikschränken, sogenannten Repositorien, untergebracht, von denen wenigstens einer im großen Sammlungszimmer, ein anderer – ein »Gestelle mit gewaltigen Mappen für Kupferstiche in ihrer geschichtlichen Folge«, wie Carl Gustav Carus bei seinem Besuch Goethes im Jahr 1821 bemerkte15 – im sogenannten Juno-Zimmer aufgestellt war. Und am 12. März 1826 notierte Goethe im Tagebuch: »[...] neues Repositorium für schnelleres Arrangement der Kupfer und Zeichnungen«,16 was darauf schließen lässt, dass er Zeichnungen und Grafiken zusammen in den Schränken aufbewahrte. Von einem der Repositorien hat sich eine Belegungsskizze erhalten, der unter anderem zu entnehmen ist, dass die »Landschaften«, aber auch Zeichnungen und Grafiken »nach u. von einzelnen Künstlern« gesondert aufbewahrt wurden.17 Zwei dieser »Kupferstichschränke«, wie Goethe sie nannte, haben sich erhalten (Abb. 3).18 In einzelnen Fächern waren die Blätter in großen Portefeuilles oder Grafikmappen, unter anderem nach Schulen getrennt, aufbewahrt.19 Auch gab es drei »Kommodenaufsatzschränke«, die in den späten 1820er-Jahren aus der Großherzoglichen Bibliothek in Goethes Wohnung überführt worden waren.20 Der untere Kommodenteil dieser sogenannten Glasschränke besteht aus Schubkästen, die möglicherweise für Mappenwerke genutzt wurden. In einem der Repositorien befanden sich Zeichnungen, die Goethe für die eigene Sammlung erworben, jedoch noch nicht in die bestehende Ordnung integriert hatte; ferner enthielt es ein größeres Konvolut an Landschaftszeichnungen sowie Portefeuilles oder Umschläge mit Zeichnungen von einzelnen, gesondert aufbewahrten Künstlern.21 Diese Konvolute dienten Goethe zur Vorbereitung von Aufsätzen, wie etwa der Abhandlung zur Landschaftsmalerei, an der er noch bis kurz vor seinem Tod gearbeitet hat.22 Die Repositorien und Sammlungsschränke befanden sich sowohl im sogenannten Sammlungs- als auch im Deckenzimmer der Wohnung am Frauenplan, also in unmittelbarer Nähe zu Goethes Arbeitszimmer.

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