90/91 Abb.8 Einstichlöcher auf der Ruisdaelische[n] Kirchhofszeichnung Durchlichtaufnahme GOETHES ARBE I TSPULT ALS VORL AGET I SCH FÜR ZE I CHNUNGEN Am 25. Februar 1819 zog Goethe also seine »Ruisdaelische Kirchhofzeichnung« aus einem der Portefeuilles heraus, vermutlich aus einem extra angelegten Künstlerkonvolut, und brachte diese in sein Arbeitszimmer, um sie dort zusammen mit Riemer zu betrachten. Eigens zum Zweck des Betrachtens und des Studiums von Zeichnungen besaß Goethe einen speziellen Arbeits- oder Pulttisch, der sich bis heute erhalten hat und der nahelegt, dass Goethes Arbeitszimmer auch als Bilderlabor genutzt wurde (Abb. 5–7).32 Dass dieser Pulttisch zu Lebzeiten Goethes in seinem Arbeitszimmer aufgestellt war, belegt ein Inventarium derer Meubles und Geraethschaften welche in des verewigten Herrn Staatsministers von Goethe Arbeitsstube und daranstossenden Piecen zu finden sind, das kurz nach dem Tod Goethes aufgenommen wurde.33 In dem Inventar ist unter anderem verzeichnet: »Eine Stehpult=Komode vom Birnbaumholz mit 4. hohen Füßen und 9. Schubfächern auf allen 4. Seiten. Die obere Platte läßt sich schräg stellen, unter ihr ein vertiefter verschließbarer Raum.«34 Und auch Schuchardt hat in einer um 1843 erstellten Liste der in Goethes Arbeitszimmer befindlichen Gegenstände und Möbel (Verzeichnis der in Goethe’s Arbeits= und Schlafzimmer befindlichen Meubles [...]) ein besagtes »hohes Tischchen mit einigen kleinen Schubfächern« vermerkt; getrennt davon war »ein Rahmen mit grüner Seide überspannt, vielleicht Fenstervorsetzer« abgestellt.35 Ausdrücklich wird wiederum vermerkt, dass das »Tischchen [...] zwischen den beiden Fenstern« des Arbeitszimmers stand (vgl. Abb. 1). Bei diesem »hohe[n] Tischchen« handelt sich um einen umgebauten Schreibtisch, dessen ursprünglicher Korpus mit zwei nach vorne auszuziehenden Schubladen in der Höhe verdoppelt worden war. In der unteren Hälfte des so vergrößerten Korpus sind fünf Schubladen eingefasst, jeweils zwei zu den Seiten und eine schmalere auf der Rückseite, die die gesamte Tiefe des Pults durchmisst; letztere diente etwa zur Aufbewahrung von Schreibfedern. Auf dem unteren Teil des aufgesetzten Korpus wurde eine die komplette Fläche nutzende Ablage geschaffen, die eigens mit Papier sowohl am Boden wie auch an den inneren Seiten ausgeschlagen wurde. Diese neu geschaffene Ablage konnte durch eine Tischplatte von oben geschlossen werden (möglicherweise handelt es sich um die Tischplatte des umgebauten Tischpultes). Diese Platte ließ sich individuell mithilfe von zwei seitlich angebrachten Verstrebungen in verschiedenen Höhen arretieren. Eine eigens am unteren Rand angebrachte Leiste verhinderte, dass die bei Schrägstellung der Arbeitsplatte aufgelegten Papiere – oder Zeichnungen – herunterrutschten. An der Unterseite der klapp- und justierbaren Tischplatte ist des Weiteren ein textilbespannter Rahmen oder Schirm angebracht, dessen Rückseite durch zwei über Kreuz angebrachte Holzleisten verstärkt wird (Abb. 6).36 Dieser Schirm ist nach hinten ausfahrbar. In seiner ursprünglichen Handhabe war er durch eine Führung, die heute fehlt, selbst wiederum aufzustellen beziehungsweise aufklappbar. Dieses Arbeitspult befand sich vermutlich schon seit den 1780er-Jahren im Besitz von Goethe. In einer Rechnung von 1783 wird jedenfalls von einer »Zeichen-« oder »ZeigenMaschine« gesprochen, die mit »grüner Leinwand« beschlagen war.37 Die Tischapparatur diente Goethe vor allem der Betrachtung und dem Studium seiner eigenen Zeichnungen, wie anhand eines
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