Leseprobe

148/ 149 Jedoch zeigen auch Schülerzeichnungen in der Weimarer Sammlung, die früher Rembrandt zugeschrieben waren, die Verwendung einer vitriolisch basierten Eisengallustinte. Wie schon eingangs erwähnt, bestätigt die Materialanalyse die landläufige Annahme, dass »Eisengallustinten unterschiedlicher Zusammensetzung in Bezug auf Farbe, Viskosität und Bindemittelgehalt das primäre Zeichenmedium in Rembrandts Werkstatt waren«.17 Der Federschneidende Mann, der bis vor Kurzem noch als authentische Zeichnung Rembrandts galt, bevor sie von Martin Royalton-Kisch dem Schüler Gerbrand van den Eeckhout (1621– 1674) zugeschrieben wurde,18 fügt sich zwar auch in den Kanon der mit Eisengallustinte ausgeführten Zeichnungen ein, sie wurde aber mit einer im Vergleich zu den bisher genannten Federzeichnungen eher ungewöhnlichen Eisengallustinte ausgeführt (Abb. 7).19 Weitere Tintenanalysen von zwei bisher unbestrittenen Rembrandt-Zeichnungen in der Weimarer Sammlung zeigen, dass auch sie mit diesen nicht-vitriolisch basierten Eisengallustinten entstanden sind, das heißt mit Tinten, die mit anderen eisenliefernden Zutaten als Vitriol hergestellt wurden. Bei diesen beiden Zeichnungen handelt es sich um das Studienblatt Drei Studien nach einer alten Frau und ein Bauernhaus und Bäume am Wasser (Abb. 8, 9).20 Dieser sozusagen neu ermittelte Typus der Eisengallustinte wurde auch in anderen Zeichnungen Rembrandts in den Beständen des Rijksprentenkabinets in Amsterdam sowie im Berliner Kupferstichkabinett gefunden.21 Wie die bereits genannte klassische Eisengallustinte ist diese neue Variante nicht auf Zeichnungen Rembrandts beschränkt, denn auch Zeichnungen aus seinem unmittelbaren Schülerkreis, wie das heute der Werkstatt Rembrandts zugeschriebene Blatt Saskia im Bett (vgl. S. 296f., Tafel 2.5), wurden mit ähnlich zusammengestellten Tinten ausgeführt. Die kennerschaftliche Zuordnung »Rembrandt« oder »Rembrandt-Schule« ist durch die Untersuchung und Typologisierung der Eisengallustinten also nicht möglich. Das ist allerdings nicht verwunderlich, da davon auszugehen ist, dass in einer so großen Werkstatt wie der Rembrandts gemeinschaftlich die gleichen Materialien wie Papier und eben auch Tinten verwendet wurden. Dadurch aber ermöglicht die materialwissenschaftliche Zuordnung der Tinte bisher in der Forschung vernachlässigte Zeichnungen wieder in den Werkstattkontext Rembrandts einzufügen. Für die Landschaft Haus unter Bäumen am Kanal mit Brücke (Abb. 10)22 wurde ebenfalls eine Tinte des neuen Typs verwendet, die den Tinten der oben beschriebenen Zeichnungen ähnelt. Insgesamt reicht diese Erkenntnis jedoch ebenso wenig wie die Papieranalyse aus, um die Zuschreibung eines Werks an Rembrandt zu begründen oder gar zu widerlegen, dennoch kann die Zeichnung durch die Materialanalyse wieder in den engeren Kreis der Rembrandt-Zeichnungen der 1640er-Jahre reintegriert werden. Die detaillierte materialwissenschaftliche Untersuchung einer großen Auswahl von Rembrandt-Zeichnungen oder von rembrandtesken Schülerzeichnungen ermöglicht somit neue Erkenntnisse über die zeichnerischen Praktiken in der Werkstatt Rembrandts und offenbart dabei Entwicklungen oder Veränderungen, die sich in der Materialität der Objekte heute immer noch widerspiegeln. Abb.3 Röntgenfluoreszenzspektren zweier Eisengallustinten mit zugehörigem Fingerprint, d.h. den relativen Elementkonzentrationen von Schwefel (S), Kalium (K), Calcium (Ca), Mangan (Mn), Kupfer (Cu) und Zink (Zn), bezogen auf die Hauptkomponente Eisen (Fe)

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