77 Saturn und Ops – eine Allegorie auf das Goldene Zeitalter von Paul Heermann Claudia Kryza-Gersch Die knapp 140 Zentimeter große Skulpturengruppe (Abb. 1) zeigt einen geflügelten nackten Mann mit Vollbart und Glatze, der mit seinem linken Bein am Boden kniet, während er das andere mit der Sohle aufstützt. Er ist alt, hat aber einen muskulösen und noch immer schönen Körper. Auf seiner rechten Schulter sitzt eine junge Frau, deren Hüfte er zärtlich umfasst, während er mit seiner linken Hand sacht ihren Fuß hält. Bewundernd blickt er zu ihr auf. Sie ist in ein dünnes Gewand gehüllt, das unter ihrem Busen endet und diesen entblößt. Mit den gespreizten Fingern ihrer rechten Hand ergreift sie ihre rechte Brust, so als wolle sie Milch daraus pressen. Auf dem leicht geneigten Kopf trägt sie einen Lorbeerkranz, einen zweiten hält sie in der linken Hand, und ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Auf den ersten Blick meint man, eine der üblichen Raptusgruppen vor sich zu haben, bei der eine männliche Figur eine weibliche emporhebt, um diese zu entführen. Seit Giambolognas berühmter Raub der Sabinerin 1583 in der Loggia dei Lanzi in Florenz enthüllt wurde, ist die Thematik in der Bildhauerei überaus beliebt, da sie die Gelegenheit bietet, zwei bis drei ineinander verschlungene Körper in einer dramatischen und gleichzeitig erotisch aufgeladenen Komposition zu zeigen. Unabhängig davon, welche Geschichte erzählt wird, sei es die vom Raub der Sabinerinnen oder der schönen Helena, sei es die von Pluto und Proserpina oder Boreas und Oreithya – das Motiv bleibt dabei immer das gleiche, nämlich ein kräftiger Mann, der eine sich dekorativ windende, hilflose Frau packt, in die Höhe stemmt und ihr mehr oder weniger unverblümt Gewalt antut. Abb. 51 Paul Heermann, Saturn und Ops, nach 1715, Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Abb. 52 Paul Heermann, Saturn und Ops, Detail
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