Leseprobe

20 Erschließungs- und Identifizierungsmethoden in Sammlungen Obwohl im Rahmen des durchgeführten Surveys nur eine grobe Datenaufbereitung möglich war, erbrachte der Namensabgleich doch einige interessante Treffer, darunter ein imDezember 1933 als Schenkung der wenige Jahre später »arisierten« Kunst- und Antiquitätenhandlung Bernheimer, München, zugegangener Handwebstuhl, mehrere zwischen 1933 und 1948 vom (auch in der Sammlung des Deutschen Optischen Museums vertretenen) Münchner Kunsthändler Erich Junkelmann angekaufte Antiken und Asiatika sowie zwei 2005/2009 als Depotfunde inventarisierte Grafiken aus dem 1937 von den Nazis liquidierten Münchner Antiquariat von Emil Hirsch. Ebenfalls im Ergebnis des Abgleichs enthalten: ein im Mai 1933 von E. Kahlert & Sohn, Berlin, für 150 Reichsmark angekauftes Reißzeug von 1775 (Abb. 1). Kahlert steht wegen Verbindungen zum NS-Raubkunsthandel auf der ALIU-Liste. Zusätzlich hellhörig macht die imSchriftwechsel zu diesemAnkauf enthaltene Bitte nach baldiger Bezahlung, da die Kaufsumme des offensichtlich bei Kahlert in Kommission gegebenen Reißzeugs vom Besitzer desselben »dringendst« benötigt werde.10 Das könnte auf eine Notveräußerung hindeuten. Die gewaltsamen Übergriffe und Drangsalierungen des NS-Regimes hatten zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen.11 Ob tatsächlich ein NS-Verfolgungskontext vorliegt, muss sich, wie in den anderen Fällen, natürlich erst erweisen. In jedem Fall liefert der automatisierte Namensabgleich erste Ansatzpunkte für solche tiefer gehenden Recherchen. 10 Deutsches Museum Archiv, VA 1744/2. Laut Kahlert kommt das Reißzeug »aus adeligem Besitz«, ein konkreter Name wird nicht genannt. 11 Siehe z. B. Bickhoff, Nicole: Gesetze und Verordnungen gegen die Juden – Teil I. Vom planmäßigen Boykott zur beruflichen Ausgrenzung (März 1933 bis Sommer 1935), in: Högerle, Heinz /Müller, Peter /Ulmer, Martin (Hrsg.): Ausgrenzung, Raub, Vernichtung. NS-Akteure und »Volksgemeinschaft« gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, Stuttgart 2019, S. 35–40. 1 Offenbar aus Not verkauft – aber mit welchemHintergrund? ImMai 1933 bei E. Kahlert & Sohn, Berlin, erworbenes Reißzeug von 1775 (Deutsches Museum, Inv.-Nr. 65490). Foto: Deutsches Museum, K. Rainer.

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