Leseprobe

18 Wo anfangen? Ein Grob-Survey zu möglichen NS-Provenienzen am Deutschen Museum B ERNHA RD WÖRRLE | DEUT S CHE S MUS EUM , MÜNCHEN Die Überprüfung der Sammlungsbestände auf NS-verfolgungs- bzw. -kriegsbedingt entzogenes Kulturgut gehört zu den Kernaufgaben der öffentlichen Museen in Deutschland.1 Wo fängt man bei einer Sammlung von ca. 125 000 Exponatenmit dieser Überprüfung an? Im Vergleich zu den Erwerbungen in den Jahren davor ist die Anzahl der unmittelbar in der NS-Zeit erworbenen Objekte am Deutschen Museum mit knapp 4 600 Inventarnummern zwar relativ gering.2 Auch bei dieser Menge muss man aber Prioritäten setzen, bevor man mit der Untersuchung einzelner Fälle und aufwändigen Archivrecherchen beginnt. Hinzu kommt, dass es sich auch bei späteren Erwerbungen aus zweiter oder dritter Hand unter Umständen um NS-Raubgut handeln kann. Sofern das Objekt vor 1945 entstanden ist, sind daher auch spätere Zugänge auf ihre Provenienz zu prüfen.3 Summa summarum sind das imDeutschen Museumüber 30 000 Objekte. – Was davon ist wirklich verdächtig? Systematisch untersucht ist bislang nur die in der NS-Zeit stark ausgebaute Kraftfahrzeugsammlung des Hauses: Bei einemViertel der zeitlich infrage kommenden und heute noch vorhandenen Autos, Motorräder und Motoren wurde die Provenienz im Rahmen einer 2010 vom Technischen MuseumWien ausgehenden Studie als unbedenklich eingestuft. Beim Rest war die Herkunftsgeschichte anhand der vorhandenen Unterlagen nicht mehr genauer zu ermitteln.4 Der 2010 erschienene Sammelband »Das Deutsche Museum im Nationalsozialismus« erwähnt zwar, dass das Museum 1941/42 aus Wehrmachtskreisen einige Objekte aus den besetzten Gebieten erhalten hat. Da diese Objekte bereits 1946 bis 1948 restituiert worden sind, wird die Frage möglicher 1 Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) (Hrsg.): Handreichung zur Umsetzung der »Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz« vom Dezember 1999, Neufassung 2019 (Onlinezugang: www.kulturgutverluste.de/handreichung, letzter Abruf 25. 3. 2022). 2 Knapp die Hälfte des heute vorhandenen Exponatbestands wurde in der Gründungsphase des Hauses 1903 bis 1925 eingeworben. Danach geht die jährliche Zahl an Neuzugängen signifikant zurück und nimmt erst in den 1980ern allmählich wieder zu. 3 BKM: Handreichung (wie Anm. 1), S. 22; siehe auch Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (Hrsg.): Leitfaden Provenienzforschung, 2019, S. 30 (Onlinezugang: www.kulturgutverluste.de/leitfaden, letzter Abruf 25. 3. 2022). 4 Kühschelm, Oliver: Kraftfahrzeuge als Gegenstand von »Arisierungen«: Provenienzforschung zur Kraftfahrzeugsammlung des Deutschen Museums und Forschungen zur Enteignung von Kraftfahrzeugen in Bayern. Deutsches Museum, Preprint 4, München 2012 (Onlinezugang: www.deutsches-museum.de/assets/Verlag/ Download/Preprint/Preprint_004_2012.pdf, letzter Abruf 25. 3. 2022).

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