Leseprobe

19 Wo anfangen? | Bernhard Wörrle NS-Provenienzen im Sammlungsbestand des Hauses aber nicht weiter beleuchtet.5 Spätestens seit 2020 ist jedoch klar, dass auch das Deutsche Museum nicht frei von Verdachtsfällen ist: Die im Rahmen einer konservierungswissenschaftlichen Masterarbeit vorgenommenen Untersuchungen an einem Jagdflugzeug des Typs Fokker D.VII, das das Museum 1948 von der amerikanischen Militärregierung zugesprochen bekam, bestärken den schon länger bestehenden Verdacht, dass es sich um ein Flugzeug aus der Sammlung des Nationalen Luftfahrtmuseums der Niederlande handeln könnte, das 1940 vom NS-Regime für die Deutsche Luftfahrtsammlung in Berlin requiriert worden ist.6 Eine abschließende Klärung steht allerdings noch aus. Wie filtert man aus 30 000 Exponaten, bei denen eine NS-Provenienz rein zeitlich theoretisch möglich ist, diejenigen heraus, bei denen es tatsächlich weitergehende Anhaltspunkte für eine NS-verfolgungs- bzw. -kriegsbedingte Herkunft gibt? Automatisierte Prüfung auf einschlägige Namen Die Sammlung des Deutschen Museums ist vollständig in einer Datenbank erfasst. Diese beinhaltet auch die (bei älteren Beständen aus den originalen Inventarbüchern übertragenen) Erwerbungsdaten: Zugangsdatum, -art und -wert, Name des Verkäufers/Einlieferers, Adresse, ggf. Institution, nicht selten mit Angaben zu Abteilung und Position/Beruf. Gleichzeitig sind, ebenfalls digital, Listen mit einschlägigen Namen von in den NS-Kulturgutraub involvierten Personen und Institutionen verfügbar, z. T. öffentlich imNetz wie die noch von den Alliierten erstellte ALIU-List of Red Flag Names7 oder die Proveana-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste,8 z. T. in geschlossenen Forschungsforen wie demRessourcenrepositoriumdes Forschungsverbunds Provenienzforschung Bayern.9 Die Idee lag nahe, das eine mit dem anderen automatisch abzugleichen. Technisch braucht es dazu nicht mehr als zwei Tabellen mit den jeweiligen Namen, eine kleine Abfrage, die festlegt, auf welche Weise die Daten aus der einenmit den Daten aus der anderen verglichen werden sollen, und ein wenige Zeilen langes Skript, das für die Abarbeitung sorgt. Als Plattform wurde MS Access verwendet, das Gleiche lässt sich aber auch mit beliebigen anderen Datenbanksystemen machen. In der Praxis stellt sich das Problem, dass die Namenslisten im Netz in der Regel nicht ausreichend strukturiert vorliegen. Sie müssen erst aufbereitet werden, um sicherzustellen, dass Nachnamen immer mit Nachnamen und Vornamen mit Vornamen verglichen werden etc. Hinzu kommen abweichende Schreibweisen, Abkürzungen und andere Probleme. Eine zentrale Bereitstellung bereits bereinigter, einheitlich strukturierter Listen (mit Namensvarianten!) wäre enorm hilfreich. 5 Vaupel, Elisabeth/Wolff, Stefan L. (Hrsg.): Das Deutsche Museum in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Bestandsaufnahme. Göttingen 2010, S. 24. Zu den restituierten Objekten s. auch Wörrle, Bernhard: Kriegsbeute Russland 1942, in: Der Blog des Deutschen Museums, 24. 9. 2021 (Onlinezugang: blog.deutschesmuseum.de/2021/09/24/kriegsbeute-russland-1942, letzter Abruf 25. 3. 2022). 6 Mitschke, Dennis: Deutsch oder »Dutch«? Untersuchungen an der textilen Bespannung und dem Anstrich der Fokker D.VII aus demDeutschen Museum (Masterthesis, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart), München 2020. 7 www.lootedart.com/MVI3RM469661, letzter Abruf 25. 3. 2022. 8 www.proveana.de, letzter Abruf 25. 3. 2022. 9 www.provenienzforschungsverbund-bayern.de, letzter Abruf 25. 3. 2022.

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