13 q Schließlich wird die Werkstatt des anonymen Meisters des Zwettler Retabels erstmals zusammenhängend erforscht. Auf stilkritischer Basis kann ihr ein großes Œuvre zugewiesenwerden, das zeitlich bis zum Jahr 1500 zurückreicht. Auch neue, der Zwettler Forschung bislang unbekannte Stücke können den bisherigen Zuschreibungen zur Seite gestellt werden. »Die altar seint etwas altvätterisch und ist das Hauptaltar vor ein par hundert Jahren von zweienMüllern [sic] verfertigt worden, so ein baum repräsentirt, da die Sculptur eine grosse embsigkeit aber kein Judiciumweiset, und stehet dieses altar an demjenigen Orth, wo die Aichen gestanden, die am neuen Jahrstag allain gegrünet.«1 Diese um 1730 zu datierende Äußerung des Barons von Hackelberg über das ehemalige Hochaltarretabel des Zisterzienserklosters Zwettl (Abb. 1, 2) stammt aus einer Zeit, in der die Planungen für ein neues, modernes Hochaltarretabel bereits so weit fortgeschritten waren, dass der seit 1722 von Matthias Steinl erarbeitete Entwurf an den Wiener Marmorierer Balthasar Haggenmüller, den Architekten Joseph Munggenast und den Passauer Bildschnitzer Joseph Matthias Götz übergeben werden konnte. Zwischen 1731 und 1733 lieferte Götz den gesamten Skulpturenbestand (Abb. 3). Laut Abt Stephan Rössler (1878–1923) wurde der spätgotische Retabelaufsatz 1732 endgültig durch das barocke Werk ersetzt, das der Kirche noch heute als Hochaltarretabel dient.2 Dem Zitat sind zwei wesentliche Aspekte zu entnehmen, denen sich die vorliegende Monografie über das ehemalige Zwettler Hochaltarretabel widmet. Der erste Aspekt betrifft die Frage nach der Funktion und der Rolle des außergewöhnlichen Stils. Mit Sicherheit dürfte er die zeitgenössischen Betrachter in ihrer Gesamtwahrnehmung wie in ihrem Verständnis hinsichtlich des ikonografischen Programms stark beeinflusst haben. Noch heute übt er größte Faszination auf sein Publikum aus, wie an den bisweilen fassungslos wirkenden Besuchertrauben der DoppelAusstellung Fantastische Welten – Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500 in Frankfurt am Main und Wien 2014/153 zu beobachten war, die Abb. 4 Zwettl, Westfassade der Zisterzienserabteikirche Mariä Himmelfahrt. Matthias Steinl, Joseph Munggenast, Joseph Matthias Götz, 1727 vollendet (Foto: open source/ Duke of W4) Abb. 3 Zwettl, das barocke Hochaltarretabel der Zisterzienserabteikirche. Joseph Matthias Götz (Bildschnitzer), 1732 aufgestellt (Foto: open source/uoaei1)
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1