Leseprobe

q 40 3 Forschungsstand den Kontext der kultur- und gesellschaftshistorischen Umwälzungen der Reformation stellte.9 Mit seinemBuch über die Kunstdenkmäler des Zisterzienserklosters Zwettl lieferte Paul Buberl 1940 das wichtigste Überblickswerk zum Kloster und seiner Ausstattung, auf das nachfolgende Forschungen im Wesentlichen rekurrierten.10 Die gleiche Publikation, in der 1944 Seiberls Artikel zum Melker Ölberg und Weltgericht am Stephansdom in Wien erschien, enthält Fritz Dworschaks Exkurs über Spätgotische Altäre in der Ostmark. Sein Versuch, die Bedeutung des Puttos mit der Walnuss imWolkengeflecht der auffahrendenMaria zu klären, indemer darin einen Hinweis auf den Namen des Hauptschnitzers – Martin Kriechbaum oder Hans Nussbaum – vermutete, fand in der Literatur zu Recht kaum Beachtung.11 In seinembis heute viel rezipiertenWerk über Anton Pilgram und die Bildhauer von St. Stephan ordnete Karl Oettinger 1951 das Zwettler Retabel in den künstlerischen Umkreis Wiens zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein, wodurch es weitreichende Bekanntheit erlangte. Neben einigen stilkritischen Ergänzungen widmete er sich hauptsächlich ikonografischen Deutungen, die in der nachfolgenden Literatur größtenteils übernommen wurden. Die imAnhang zitierten Quellenabschnitte aus der Klosterchronik bildeten die Grundlage für weitere Forschungen.12 In darauffolgenden Überblicks- und Katalogbeiträgen vornehmlich der 1960er Jahre wurde das ehemalige Zwettler Hochaltarretabel der sogenannten Donauschule zugeordnet, ohne jedoch näher auf das Retabel einzugehen.13 Die erste »Monografie« in deutscher und tschechischer Sprache war 1974 eine vier Seiten umfassende Schrift Ivo Hlobils.14 Immerhin gab er darin einige nicht unwichtige ikonografische Hinweise. Mit dem 1979 von Karl Kubes und Joachim Rössl herausgegebenen Band über das Stift Zwettl und seine Kunstschätze, der inweiten Teilen auf BuberlsWerk von 1940 beruht, wurde der Grundstein für eine intensivere Beschäftigungmit den historischen Entwicklungen des Stifts und seiner künstlerischen Ausstattung gelegt. Die gleichermaßen kunsthistorische wie historische Auseinandersetzung basiert auf grundlegender Quellenarbeit.15 Selbstverständlich fand das Retabel in diversen Überblickswerken zu mittelalterlichen Schnitzaltären Beachtung, so etwa 1978 (in zweiter Auflage) bei Herbert Schindler, dem es vornehmlich um die Einordnung des Retabels als »Schlussakkord« des »expressiven« Stils ging.16 Michael Baxandall verwies 1980 nur an wenigen Stellen auf das Zwettler Retabel, dessen Bildhauer er der sogenannten »dritten Generation« zuweist, deren »aufgewühlt-schnörkelreiche[r]« Stil ihr Erkennungsmerkmal darstelle.17 Demgegenüber muss der Schnitzaltäre-Band von Rainer Kahsnitz aus dem Jahr 2005 hervorgehoben werden. Durch die hervorragenden Abbildungen von AchimBunz wurde das Retabel erst so richtig ins kunsthistorische Bewusstsein gehoben. Die übersichtliche Gliederung aller bedeutenden Fakten und die knappe Zusammenfassung der bisherigen Forschungsergebnisse vereinfachen den direkten Vergleich mit anderen im Band behandelten Werken.18 Den umfassendsten Forschungsbeitrag leistete 2008 der zweisprachige Tagungsband des Symposiums vom Juni 2007 auf Schloss Mikulov (Nikolsburg, Tschechien), für das eine grundlegende Restaurierung des Retabels in den Jahren 2006/07 den Anlass bot.19 Besonders in restauratorischer Hinsicht leistet der Band Grundlagenarbeit, ergänzte ansonsten in den Beiträgen einige bisherige Annahmen der Forschung und förderte vereinzelt interessante Aspekte zutage.

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