6.1 Die Mönche 147 q Die grundsätzliche Diskussion über Funktionen von Kunst im sakralen Kontext, wie sie seit Gregor demGroßen und dembyzantinischen Bilderstreit geführt wurde, ist hier nur kurz in Erinnerung zu rufen. Auch im 15. Jahrhundert war die Definition des Dominikaners Johannes’ von Genua († 1298) im Catholicon (1286) gängig: »Wisse, daß es drei Gründe für die Institution von Bildern in den Kirchen gibt. Erstens zur Unterweisung der einfachen Menschen, weil sie durch Bilder belehrt werden, als wären es Bücher. Zweitens, um das Geheimnis der Inkarnation und Beispiele der Heiligen dadurch stärker auf unser Gedächtnis wirken zu lassen, daß wir sie täglich vor Augen haben. Drittens, um Empfindungen der Frömmigkeit hervorzurufen, die durch Gesehenes leichter wach werden als durch Gehörtes.«1 Die Frage ist, wem und in welchem Maße die Hauptzwecke der Bilder – Didaktik für Ungebildete, Inhaltsvermittlung und Verstärkung von Empfindungen und Frömmigkeit – in einer Zisterzienserkirche dienen sollten. Insbesondere der durch die gewählte Form intensivierte »Aufforderungscharakters« des Zwettler Retabels lässt es sinnvoll erscheinen nachzuforschen, anwelche Gruppe von Betrachtern sich das Bildprogramm richtete, ob außer denMönchen noch andere Personengruppen Zutritt zum Chor hatten und wie die Blickverhältnisse in den Chorbereich etwa vom Umgangschor waren. Noch immer steht die Forschung bezüglich der spätmittelalterlichen Nutzung der Zisterzienserklöster durch Außenstehende auf einer schmalen Quellenbasis. So konstatiert Untermann: »Inwieweit das tägliche Leben der Konvente von der häufigen Anwesenheit weltlicher Großer geprägt wurde, bedarf weiterer Forschung.«2 Fest steht, dass zisterziensische Abteien diesbezüglich wesentlich schärferen Verordnungen unterlagen als Klöster anderer Orden. Dies hing imWesentlichen mit dem strengen Klausurgebot der Mönche zusammen. Trotz der zunehmenden Öffnung eines nichtmönchischen Teils des Kirchenraums für Laien an hohen Festtagen im Laufe des 14. Jahrhunderts ist die Frage nach der Nutzung des Chorbereichs durch weltliche Vertreter vor allem im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch nicht hinreichend beantwortet worden. Da sich diesbezüglich kaum ein allgemeiner Grundsatz formulieren lässt, muss zur Beantwortung der Frage die spezifische Situation vor Ort ausgewertet werden, sofern es die Quellen zulassen. 6.1 Die Mönche Zweifellos konnte und sollte das Retabel täglich von den Mönchen zum Chorgebet und zur Konventsmesse betrachtet werden. Für sie dürfte es sowohl wie eine Bestätigung ihrer Ideale und Glaubenswahrheiten als auch wie eine Mahnung gewirkt haben. Auch in Österreich schlossen sich immer mehr Kleriker, vom Vikar bis hin zum Bischof, der Reformation an.3 Seit den frühen 1520er Jahren verließen immer mehr Mönche wegen des neuen Glaubens ihre Klöster; als Folge von Luthers Einfluss verringerte sich außerdem die Anzahl der Klostereintritte.4 Dies beschleunigte den Verfall der altkirchlichen Ordenslandschaft erheblich. Auch Erasmus Leisser muss sich des Niedergangs schmerzlich bewusst gewesen sein: 1528 verfügte das Kloster nur noch über sechs Mönche, einen Weltpriester und einen Organisten, sodass »[d]er Chorgesang [...] von selbst auf[hörte], und die gestifteten Messen [...] nicht mehr gelesen werden [konnten]«.5 Aus diesem Grund forderte der Erzherzog vom Abt die Aufnahme von rund 20 neuen Novizen innerhalb einer vorgegebenen Frist. DiesemAnliegen kam Leisser ein Jahr später mit 17 neuen Novizen nach. 6.2 Die Konversen Konversen waren vor allem zu Beginn der zisterziensischen Reformbewegung als fester Bestandteil des Klosters weitgehend für das wirtschaftliche Wohl des Klosters verantwortlich. Sie verfügten über keine Weihestufen und ihnen war gemäß der Konversenregel (liber usus conversorum) der rangniedrigere Konversenchor, architektonisch gesprochen das Kirchenschiff, zugedacht. Ihr Altar war der Kreuzaltar westlich einer Chorschranke. Wie zuvor ausgeführt, lag diese in Zwettl beim Neubau der Kirche wohl zunächst auf Höhe der östlichen Vierungspfeiler, später, seit der Fertigstellung zweier Langhausjoche Ende des 15. Jahrhunderts an deren westlichemEnde. Solange die neue Kirche nicht vollendet war, versammelten sich die Konversen also in den noch bestehenden Teilen der älteren. Der Blick auf Mönchschor und Hochaltar dürfte ihnen so gut wie immer verwehrt gewesen sein. Im Stift Zwettl hat sich eine deutsche Konversenregel (Cod. 129, um 1300) erhalten, aus der etwa hervorgeht, dass die des Latein unkundigen Klosterkonversen nicht zumMönch geweiht werden durften, keine Bücher lesen durften und nur an den zwölf kirchlichen Hochfesten
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