Leseprobe

6.3 Adelige Laien in der Kirche 149 q Zisterzen bezog.17 Es kam vor, dass sich diese Verordnungen nur an bestimmte Klöster richteten.18 Demnach ist es möglich, dass Zwettl, das laut Kubes nicht im Verbotsschreiben aufgeführt wurde,19 davon ausgenommen war. Vielleicht hatte sich die Abtei eine Erbgrablege im Voraus genehmigen lassen. Jedenfalls ist dies beim Generalkapitel nicht zur Anzeige gekommen, wie es für andere Fälle überliefert ist.20 Dass hier systematisch eine dynastische Grablege für das Gründergeschlecht errichtet wurde, darauf deuten die Grablegen aller männlichen Familienmitglieder seit Albero III. († 1182) bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert.21 Das 1197 von Hadmar II. von Kuenring gestiftete Ewiglicht auf dem Petersaltar im nördlichen Nebenchor diente mit Sicherheit seiner Memoria.22 Mit der Grablege des Kuenringers Heinrich IV. († 1293) folgte man einerseits noch den zisterziensischen Gepflogenheiten, die für Stifter eigene Kapellen außerhalb der Abteikirche forderten – das schönste Beispiel ist die Michaelskapelle in Kloster Ebrach.23 Andererseits näherte man sich mit der eigens für ihn errichteten Allerheiligenkapelle der Kirche: Sie lag bereits am romanischen Chor der ersten Abteikirche.24 Bald nach der Allerheiligenkapelle Heinrichs IV. von Kuenring ist 1299 die Planung einer eigenen Grabkapelle durch die Herren von Falkenberg gesichert.25 Da sie nicht realisiert wurde, ist auch der dafür vorgesehene Bestattungsort nicht überliefert. Eine Urkunde des Eberhard von Wallsee von 1318 belegt, dass dieser zur Erinnerung an seinen Vater Friedrich im Kloster Zwettl einen Jahrtag stiftete. Friedrich hatte zuvor dort »sein[..] totpette erwelt«,26 doch konnte er vor seinem Tod die Stiftung nicht mehr selbst durchführen.27 Ebenfalls noch vor dem Chorneubau seit 1343 ist um 1330 die Stiftung Ottos von Lichtenegg erfolgt, wobei sich heute nicht mehr nachvollziehen lässt, an welchem Ort der von ihm bestiftete Altar aufgestellt war. Der Ausbau des Chors zwischen 1343 und 1348 und zwischen 1360 und 1383 zu einemHallenumgangschor mit 13 Radialkapellen nach dem Schema der französischen Kathedralgotik und auch dem Vorbild der erweiterten Abteikirche von Clairvaux muss der Möglichkeit zur Bestiftung dieser Kapellen vornehmlich durch Adelige gedient haben.28 Mit einer Summe von 400 Pfund Pfennig leitete die Stiftung des Hans von Klingenberg und seines Sohnes auf den Peter und -Pauls-Altar für die neue Kapelle »auf die tenken [linken, d. h. nördlichen, Anm. D. A.] abseiten des newn chor«29 die Bestiftung des Neubaus ein. Insgesamt scheint der Ausbau des Chors maßgeblich durch Stiftungsgelder adeliger Familien finanziert worden zu sein, der zusammen mit demQuerhaus insgesamt 1 300 PfundWiener Pfennige kostete:30 Schon imVoraus hatte Albero von Lichtenegg 1341 eine Stiftung für den Annen-Altar in der ersten Chorkapelle der Nordseite getätigt.31 1345 legte Jan von Kapellen zusammen mit seiner Frau 30 Pfund Pfennig für den Bau der Johanneskapelle an. Aus dem Jahr 1347 ist eine Spende des Dieners des Kustos namens Ulrich über 60 Talente für den Altar zu Ehren der hll. Ulrich und Leonhard im neuen Chor überliefert. 1362 stiftete Andre von Liechtenstein 100 Pfund Pfennige für die damalige Gregorskapelle, die heute allen Kirchenvätern geweiht ist.32 Im November 1348 wurden 14 Altäre durch den Bischof von Passau geweiht; erst 1383, wahrscheinlich nach der vollständigen Einwölbung des Chors und Chorumgangs, folgte die Weihe des Hochaltars.33 Zu Beginn des 15. Jahrhunderts sind weitere Stiftungen für die neuen Kapellen nachweisbar, wie etwa eine Messstiftung des Grafen Johann zu Hardegg für die Johanneskapelle im Jahr 1401. Sieben Jahre später folgt die Anweisung Johanns von Neidegg vermutlich ebenfalls für die Johanneskapelle: »[...] sullenmir und allenmeinen miterben und nachkomen in demselben irem kloster dacz Zwetl ain chappellen ausczaigen [...]«.34 Dieses Geschehen – Karl Kubes spricht von einer »Aneignung der Kirche durch Grablegen Außenstehender«35 – erhöhte auch sehr bald den Druck auf die Kuenringer als primi fundatores, den Anspruch auf eine Bestattung innerhalb des Chorbereichs geltend zumachen. Obwohl Leutold I. noch imKapitelhaus ein Ewiglicht gestiftet hatte, »daz ze allen zeiten tag und nacht prinnen sol ob meiner vordern grab, vor meinen alter im capitl«,36 ließ er sich 1312 im Mittelpresbyterium, also unmittelbar vor demAllerheiligsten, bestatten.37 Seine Frau Agnes folgte ihm 1341 mit der Grablege »in gradu presbiterii«.38 Auch Johann I. und Leutold II. fanden in den 1340er Jahren im Presbyterium beim Hochaltar ihre ewige Ruhestätte.39 Aus dem Jahr 1382 sind Ablässe für die Michaelskapelle überliefert, in der Neitz von Kuenring begraben wurde. Diese Vorgänge beleuchten recht genau die rege Stiftungstätigkeit der Kuenringer und anderer nobler Familien wie auch ihr Selbstverständnis in Bezug auf ihre Bestattungsorte innerhalb der Klosterkirche. Demnach ist auch auf die persönliche Gegenwart der Hinter-

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