Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der ausführlichen Bearbeitung ikonografischer und stilistischer Fragen – Fragen, die bisher den Großteil der Forschung beschäftigten. Weit über eine grundlegende mariologische Betrachtung des Bildprogramms hinausgehend, bietet die ikonografische Analyse einen ganz neuen Interpretationsansatz, der erstmals nahezu alle ikonografischen Elemente – auch den ekstatischen Stil – sinnvoll zu erklären vermag. 1 Einführung Das im Jahre 1525 fertiggestellte Hochaltarretabel des Zisterzienserklosters Zwettl, von dem heute nur noch der Mittelschrein erhalten ist, hat die Retabelforschung von jeher fasziniert, ihr aber auch große Rätsel aufgegeben. Eindrucksvoll sind nicht nur seine Ausmaße mit einer ursprünglichenHöhe von etwa 19m, sondern auch sein außergewöhnlicher, »expressiver« Stil sowie das bisher nur zum Teil überzeugend geklärte Bildprogramm. Bemerkenswert ist zudem, dass ein qualitativ so anspruchsvolles Monumentalwerk in einer Zeit entstand, in der die Nachfrage nach Retabelaufsätzen im Zuge der reformatorischen Umbrüche bereits stark eingebrochen war. Obwohl es sich also um einen in vielerlei Hinsicht interessanten Forschungsgegenstand handelt und es auch nicht an Versuchen gefehlt hat, die Ikonografie, den Stil und die Entstehungsumstände zu erhellen, sind noch viele Fragen ungeklärt. Die vorliegende Arbeit – die erste Monografie über das ehemalige Zwettler Hochaltarretabel – wird nicht alle dieser Fragen restlos klären können. Doch tragen die gewonnenen Erkenntnisse erheblich zumVerständnis für das Retabel selbst, für die mit dem Auftrag verbundenen gesellschaftlichen wie historischen Hintergründe sowie allgemein für die Bedeutung spätmittelalterlicher Schnitzretabel bei. Einwesentlicher Teil der Studie basiert auf Quellenarbeit. Dabei eröffnen sowohl bereits bekannte Quellen als auchmit demRetabel und dessen Stiftern in Zusammenhang stehende unbekannte Archivalien einen ganz neuen Blick auf die bislang kaum näher untersuchten Stiftungsumstände des Werks: So kann neben dem Zwettler Abt Erasmus Leisser ein weiterer Mitstifter des Retabels bestimmt werden. Auch lässt sichmithilfe von Archivalien das personelle Netzwerk Abt Leissers rekonstruieren, das zum einen Einblicke in dessen umfassende Stiftungskampagne und in gesellschaftliche wie politische Hintergründe im Kloster Zwettl erlaubt und zum anderen die Verbindung möglicher weiterer Auftraggeber der Werkstatt des Zwettler Retabels mit dem Abt andeutet. Abb. 1 Gesamtansicht des Mittelschreins des ehem. Hochaltarretabels der Zisterzienserabteikirche Zwettl. Werkstatt des Zwettler Hochaltars, 1525 vollendet. Linde, H. 650 cm, B. 300 cm. Adamov, Röm.-kath. Pfarrkirche St. Barbara (Foto: Achim Bunz, München) Abb. 2 Zwettl, Gesamtansicht des ehem. Hochaltarretabels im Hochchor der Zisterzienserabteikirche. Unbekannter Künstler, um 1639. Feder, laviert, an mehreren Stellen geknickt; sekundär auf Leinwand kaschiert. H. 53 cm, B. 31,3 cm. Stift Zwettl, Stiftsarchiv, Hs. 3/19 (Foto: Andreas Gamerith, Zwettl, Stiftsarchiv)
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