Die katholisch-konservativen Verlierer des Sonderbundskriegs halten sich vorerst von der Bundespolitik in Bern fern. Treibend sind die liberalen Kräfte. Sie müssen nun die verfassungsrechtlichen Errungenschaften in eine politische Praxis umsetzen. Gleichzeitig melden bald schon radikalliberale und schliesslich auch sozialistische Bewegungen ihre Interessen an. Ihr politischer Druck macht aus einer repräsentativen Demokratie für christliche Männer bis 1891 eine halbdirekte Demokratie für fast alle Männer. Auf diese politisch bewegte Gründungszeit des jungen Bundesstaats schauen fünf Beiträge dieses Begleithefts zurück. Sie befassen sich dabei mehrheitlich mit Grundrechten avant la lettre und der wichtigen Frage: Wer ist mitgemeint? Wer darf mitbestimmen? Vom Stimm- und Wahlrecht bleiben nebst kleineren Minderheiten alle Frauen und die jüdischen Männer ausgeschlossen. Dass die jüdische Emanzipation in der Schweiz gesellschaftlich wenig Rückhalt erfährt und darum die rechtliche Gleichstellung nur zögerlich vorankommt, reflektiert der Beitrag von Susanne Bennewitz. Neben der breiteren politischen Mitbestimmung ist die Pressefreiheit das gewichtigste Grundrecht in der Bundesverfassung 1848. Vanessa Rüegger zeichnet in ihrem Beitrag den Weg vom Zensurverbot bis zur Kunstfreiheit als Ausbau der Medienfreiheit. Die Religionsfreiheit garantiert die erste Schweizer Verfassung vorerst nur den beiden christlichen Konfessionen. Warum dem so war und wie brüchig die Religionsfreiheit für andere religiöse Gemeinschaften bleibt, thematisiert der Beitrag von Josef Lang. Des Weiteren erörtert Martin Lengwiler, wie sich ein Bewusstsein für den Schutz der Privatsphäre herausbildet und wessen Privatsphäre als schützenswert gilt. Und schliesslich macht sich Numa Graa auf die Suche nach frühen Ansätzen fairer Verfahren im Strafrecht, die schliesslich dank der Europäisierung der Schweizer Rechtsprechung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts Eingang in die Bundesverfassung finden. Über 120 Jahre lang bleibt der schweizerische Bundesstaat eine reine Männerdemokratie. Erst mit der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 erhalten die Schweizerinnen das Recht, politisch mitzu-
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