17 der Rolle von Professionalisierung, Partizipation, kulturellen Praktiken, vomUmgangmit Kunstobjekten und von den Vernetzungen der Akteure.2 Die Ausgangsbasis von sozialen Aushandlungsprozessen bildet für das PARVENUE-Projekt dabei materielle Kultur. Welche Rolle spielenObjekte der materiellen Kultur, in unserem Kontext Kunstobjekte, welche Funktion haben sie im Hinblick auf ihren Gebrauch innerhalb solcher Prozesse auf konkreten ›Schauplätzen‹? Wie können Kunstobjekte als ›Gegenstände des menschlichen Handelns‹ in sozialen Aufstiegsszenarien untersucht werden?3 ›Die Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen‹, so auch der Titel der Förderbekanntmachung des BMBF, impliziert einen objektzentrierten, kulturtheoretischen Zugriff, der wiederum mit sozialhistorischen und praxeologischen Herangehensweisen komplementiert werden muss.4 Soziale Aufstiegsprozesse und Theorien sozialen Handelns Diverse Sozial- und Kulturtheorien befassen sich zwar mit materieller Kultur und ihrem inhärenten Wissen, doch begreifen sie menschliches Handeln, den Umgang mit Objekten und ihren Gebrauch als Distinktionsmerkmale meist als begrenzte Akte zwischen Subjekten, die sich der materiellen Kultur in objektivierter Formbedienen. Umdie einseitigeWirkrichtung einer solchen traditionellen Subjekt-Objekt-Zuordnung zugunsten einer auch konstituierenden Rolle der Objekte zu verschieben, braucht es theoretische Lösungen.5 Diese Lücke versuchen diverse praxeologische Ansätze zu füllen. Nach Bruno Latours Auffassung wird materielle Kultur innerhalb sozialer Praktiken neben menschlichen Akteuren selbst zumAkteur. Objekte und Dinge können so von Subjekten interpretiert werden, geben aber auch selbst einen gewissen sozialen Handlungsrahmen vor, innerhalb dessen mit ihnen umgegangen wird und sie sich anwenden lassen.6 Objekte werden nach Latour zu gleichberechtigten Aktanten in einem sozialen Netzwerk, das Grundlage für die von ihm mitentwickelte Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) ist.7 Die Gleichberechtigung der Aktanten ist zugleich Anlass für Kritik an dieser Methode. Die Anwendbarkeit dieses Konzepts auf vormoderne Szenarien wird eingeschränkt durch eine im Vergleich zur Moderne und Gegenwart geringere Anzahl sozial relevanter Objekte und eine womöglich schwierigere Quellenlage für die Rekonstruktion der objektbiografischen Relation von Objekten undMenschen.8 Innerhalb einer Theorie sozialer Praktiken kann die ANT nach Reckwitz so in Verbindungmit einempraxeologischen Verständnis vonmaterieller Kultur Objekte, und damit auch Kunstobjekte, als nicht nur auf verschiedene Weisen interpretierbar, sondern auch als vielfältig in spezifischen Kontexten einsetzbar charakterisieren.9 Die Verwendung von Objekten kann erst Auswirkungen zeigen, wenn sie von den damit Handelnden verstanden werden und als Teil sozialer Praktiken den erforderlichen kulturellen Codes entsprechen. Dabei ist ihre Verwendung nur spezifisch zu einem Zweck möglich, eine willkürliche Behandlung wird hingegen nicht zum Erfolg führen.10 Dies ist besonders relevant in Aushandlungsprozessen imKontext eines intendierten sozialen Aufstiegs: Das Soziale stellt daher jene Ebene der sozialen Regeln dar, innerhalb der individuelle Akte überhaupt erst From ›Social Structure‹ to ›Artefacts‹, in: Journal for the Theory of Social Behaviour, 32, 2002, S. 195 –217, S. 206; Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1861), 7. Aufl., Frankfurt am Main 2019. 6 Reckwitz (wie Anm. 5); Dagmar Freist, Materielle Praktiken in der Frühen Neuzeit. Zur Einführung, in: Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure, Handlungen, Artefakte (Frühneuzeit-Impulse, Bd. 3), hg. von Arndt Brendecke, Köln u.a. 2015, S. 267–274, hier S. 270; Bruno Latour, On Actor-Network-Theory. A FewClarifications, in: SozialeWelt, 47, 1996, S. 369 –381, hier S. 372. 7 Reckwitz (wie Anm. 5), S. 208; Bruno Latour, Reassembling the social. An introduction to actor-network-theory (Clarendon lectures in management studies), Oxford u.a. 2005. 8 Reckwitz (wie Anm. 5), S. 209; Kim Siebenhüner, Things that matter. Zur Geschichte der materiellen Kultur, in: Zeitschrift für Historische Forschung, 42, 2015, S. 373 – 409, hier S. 384. 9 Reckwitz (wie Anm. 5), S. 210; Freist (wie Anm. 6), S. 267. 10 Reckwitz (wie Anm. 5), S. 212. 11 Andreas Reckwitz, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken / Basic Elements of a Theory of Social Practices, in: Zeitschrift für Soziologie, 32, 2003, S. 282–301, hier S. 287; siehe Émile Durkheim, Die Regeln der soziologischenMethode (Suhrkamp TaschenbuchWissenschaft, Bd. 464), 8. Aufl., Frankfurt am
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