65 Künstlerinnen- Parvenüs Rosalba Carrieras innovatio und ihre Kunst der Dissimulation Philipp Zitzlsperger An den Künstlerinnen des 18. Jahrhunderts lässt sich das Parvenüwesen wie unter einem Brennglas studieren – denn die Herausforderungen, denen sich Parvenüs in ihrem Kampf um Aufstieg und Anerkennung stellen mussten, galten für sie in verstärktem Maß. Bekanntlich legte das Patriarchat Frauen generell viele Steine in den Weg des Aufstiegs – Hindernisse, die man in der Gegenwart zum Teil immer noch studieren kann. Für das ›Parvenü‹-Forschungsprojekt sind die Karrieren der Künstlerinnen deshalb so interessant, weil sie besonderer Strategien bedurften, um in ein selbstbestimmtes Berufsleben aufzusteigen – Strategien, die von starkem Innovationspotenzial zeugen. Auch an dieser Stelle sei betont, dass der Parvenü-Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch zwar negativ konnotiert ist, im ›Parvenü‹-Forschungsprojekt jedoch ohne Wertung in Gebrauch ist. Wie in meinem Text ›Eine kleine (Begriffs-)Geschichte des Parvenüs‹ in diesem Band dargelegt, ist statt der bisherigen Geringschätzung der Parvenüs1 exemplarisch ihre gesellschaftliche Rolle als Gestalter und Erneuerer zu beleuchten. Denn unterschätzt wird in der Regel, dass Parvenüs demKlischee der Parasiten und Nachahmer weit weniger entsprachen, als es die pejorative Wortbedeutung suggeriert. Das Klischee kolportiert Imitatoren, welche die Eliten nachahmen und sie umschmeicheln, um sich in ihren Kreisen festzusetzen. Die Elitenkreise – so das Narrativ – empfanden Parvenüs als Fremde und Eindringlinge. Das Stereotyp verfestigte sich in der Literatur und Alltagssprache, bildet jedoch nicht den Stand der neueren Forschung ab undwird den historischen Akteur:innen nicht gerecht, wie 1 Da die deutsche Sprachgeschichte den Begriff ›Parvenü‹ im generischen Maskulinum geprägt hat, es in diesem Aufsatz jedoch vornehmlich umweibliche Aufsteigerinnen geht und sich eine unkritische Verwendung (›der Parvenü‹) somit verbietet, wird der Begriff im Folgenden weitgehend im Plural ›Parvenüs‹ verwendet, um unmissverständlich beide Geschlechter einzuschließen. Diese pragmatische Vorgehensweise empfiehlt sich in Ermangelung einer weiblichen oder geschlechtsneutralen Singular-Variante des Wortes ›Parvenü‹.
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