196 glasurblauer Bemalung. Für die Deutung dieser Objekte und ihrer Sprache kann die betrachtende Person aufgrund der spärlichen Überlieferung nur bedingt auf zeitgenössische Textquellen zurückgreifen, die Erklärungen zum Gebrauch oder dem kulturhistorischen Wert geben könnten. Um sie einzuordnen, muss daher das jeweilige kulturell-historische Chinabild der Künstler:innen/Auftraggeber:innen/Rezipient:innen/Europäer:innen näher beleuchtet werden, denn die erwähnten Darstellungen sindmit den Utopien und Reisebeschreibungen des ausgehendenMittelalters und der Frühen Neuzeit eng verknüpft. Erst mit ihrer Hilfe erschließt sich ihr ökonomischer und sozialer Wert. Dieser Beitrag will anhand ausgewählter Beispiele eine Entwicklungslinie aufzeigen, die Aufschluss über die Aussagen der Gegenstände gibt, denn bei Mantegna sind die Objekte ebenso aufgeladen wie bei Bokelmann: sowohl ästhetisch als auchwas ihren gesellschaftlichen und ökonomischenWert betrifft. Sie machen zumindest auf dieser Ebene eine Aussage, die Betrachter:innen ohne Worte verstehen. Zur Bedeutung von Keramiken in der Malerei Mantegnas ›Anbetung‹ entstand lange vor der Gründung europäischer Handelskompanien, die die Einfuhr chinesischer Porzellangefäße in großemStil ermöglichten. Die Darstellung ist ein Beispiel der Frührenaissance und bricht mit der mittelalterlichen Bildtradition, die stets die gesamte Szene der Anbetung aus einer gewissen Entfernung zeigt. Mantegna wählte einen Bildausschnitt, dessen Fokus auf den Gesichtern der Heiligen liegt sowie auf den dargestellten Gefäßen, die dadurch ein anderes Gewicht bekommen. Neben einem reich verzierten Räuchergefäß, das Melchior in Händen hält, wird Balthasar mit einem wertvollen Achatgefäß dargestellt. Caspar, der älteste der Drei Könige, hält ein Gefäß, das sehr an ein chinesisches Gaiwan erinnert, randvoll mit Goldmünzen gefüllt. Den Deckel des Gaiwan hält er dahinter und gebraucht somit das ursprünglich für die Zubereitung von Tee hergestellte Gefäß wie eine Dose. Brandvorgangs. Für die Farben benutzte man Kobaltoxid (Blau), Manganoxid (Violett, Braun und Schwarz) sowie Antimonoxid (Gelb) und Kupferoxid (Grün). Ursprünglich in Mesopotamien entwickelt, verbreitete sich die Technik über Italien und das maurische Spanien bis nach Europa und wurde v.a. im 17. Jahrhundert von Delft ausgehend für Imitationen des damals noch aus China importierten Porzellans genutzt. 3 KakuzōOkakura, Das Buch vomTee, Köln 2001, S. 28. 4 Alexander Nagel, Some discoveries of 1492. Eastern antiquities and Renaissance Europe, Vortrag gehalten am 14.11.2013, Gerson Lecture Universität Groningen, Groningen 2013, S. 36. 5 Ming. 50 years that changed China (Ausst.-Kat. British Museum), hg. von Craig Clunas und Jessica Harrison-Hall, London 2014, S. 292. 6 So schickte beispielsweise der Sultan von Ägypten 1487 an den Hof Lorenzo de’ Medicis wertvolle chinesische Porzellane. Abb. 1 Andrea Mantegna, Anbetung der Heiligen Drei Könige, ca. 1495 –1505, Temperafarbe auf Leinwand
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