Leseprobe

216 Die Ikonografie dieses Porträts ist gerade deshalb bemerkenswert, weil dem Hintergrund und den sehr zahlreichen Requisiten über die imspäten 18. Jahrhundert üblichenMaße adliger Porträts hinaus Bedeutung zugemessenwird und es den sozialen Aufstieg Schimmelmanns bildlich-narrativmanifestiert. Er sitzt zentral auf einem Louis-Seize-Fauteuil und wendet sich den Betrachter:innen selbstbewusst mit in die Hüfte gestemmtemArmzu. Sein linker Arm ruht auf einemSchreibtisch. Schimmelmann trägt einen silbernen, aufwendig floral bestickten Anzug, wahrscheinlich aus Seide oder Samt. Dieser besteht aus einem Rock (justaucorps), einer Weste (gilet) und einer Kniehose (culottes). Die grau gepuderte Perücke trägt er zumZopf gebunden, der von einer Schleife gehaltenwird. Prominent inszeniert wird der Elefantenorden, der höchste und älteste dänische Ritterorden, den Schimmelmann 1774 erhielt und den er am blauen Schulterband über die linke Schulter trägt. Auch der Ordre de l’union parfaite ist in einemKnopfloch auf seiner linken Seite befestigt, darüber ist der Bruststern des Dannebrogordens zu erkennen. Zu diesem Zeitpunkt war Heinrich Carl von Schimmelmann bereits Schatzmeister des dänischen Königs und Baron, verantwortete nach einer Unterbrechung durch die Struensee-Affäre erneut die Leitung der Schatzkammer und dominierte als privater Großaktionär den transatlantischen Dreieckshandel. Auf diesem Porträt erzählen alle dargestellten Objekte von seiner erfolgreichen Karriere: Schimmelmann präsentiert sich in einem herrschaftlichen Innenraum, der durch Säulen, rundbogige Wandnischen, gemusterte Fliesen und Vorhänge angedeutet wird. Seine Karriere wird chronologisch vom Hintergrund in den Vordergrund illustriert: In den klassizistischenWandnischen imHintergrund sind schemenhaft Statuen antiker Gottheiten erkennbar, die in die Vergangenheit des Porträtierten weisen und den Ursprung seines Vermögens als Getreidelieferant des preußischen Heeres und damit als Militärunternehmer personifizieren: Mars und Flora. Die Integration einer Porträtbüste mit dem Elefantenorden an der Kette zwischen Säulen und einem schweren, geschwungenen Vorhang in der Tradition eines absolutistischen Herrscherporträts verweist auf Frederik V., der Schimmelmann 1760/61 an den dänischen Hof holte. Die Büste ist zwar ebenfalls in den Hintergrund gerückt, regierte zur Zeit der Entstehung des Porträts schließlich schon sein Sohn Christian VII., jedoch erstrahlt sie golden hinter Heinrich Carl von Schimmelmann. Es handelt sich möglicherweise um die Bronze, die Jacques François Joseph Saly 1766 gießen ließ und die sich heute in der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen befindet. Im Mittelgrund sitzt Schimmelmann an einem repräsentativen Schreibtisch mit kostbaren Schnitzereien, der durch seine moderne Formensprache von Schimmelmanns zeitgemäßem Geschmack und seinem Wohlstand erzählen soll. Auf der Marmorplatte des Tisches liegen Briefe, auf einem steht »Træsorier De SaMajeste le Roi [...] in Nov [...]« zu lesen. Ferner hält der schwarze Kammerdiener Heinrich Carl Ambach, der als zwölfjähriger Junge 1769 von Schimmelmanns Plantage auf St. Croix in das Herrenhaus Ahrensburg gebracht wurde, ein großformatiges, ovales Porträt der Gemahlin Caroline Tugendreich, das ein 1760/61 von Stefano Torelli gemaltes Gemälde im Reventlow-Museet Pederstrup wiedergibt.3 Hier trägt sie allerdings schon den Mathildenorden, den ihr Königin Caroline Mathilde, mit der sie eng vertraut war, erst 1771 verliehen hatte. Die Darstellung des schwarzen Kammerdieners erfüllt mehrere Funktionen: So galten schwarze Bedienstete imausgehenden 18. Jahrhundert einerseits als Objekte eines exotischen Luxus, Ambach verweist in diesem Kontext aber auch auf das wirtschaftliche Interesse Schimmelmanns sowie auf Die ›Schatzmeister-Rechnungen‹ des Ahrensburger Schloßarchivs als kulturgeschichtliche Quelle, in: Nordelbingen 15, 1939, S. 420. 3 Angela Behrens, Das Adlige Gut Ahrensburg von 1715 bis 1867. Gutsherrschaft und Agrarreformen (Stormarner Hefte 23), Neumünster 2006, S. 169. Die Eltern des Jungen waren die Sklav:innen Ambach und Ankanna, sie blieben auf St. Croix. Bis zu seiner Taufe am 10. September 1769 in Woldenhorn (Ahrensburg) hieß er Joseph, danach Heinrich Carl. Vier Jahre nach dem Tod Schimmelmanns heiratete er eine andere Angestellte, Johanna Sophia Catharina Richter. Vgl. Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Geschichte und Bewußtsein der Deutschen, Hamburg 2001, S. 167; Wilhelm Albers und Armin Clasen, Mohren im Kirchspiel Eppendorf und im Gute Ahrensburg, in: Zeitschrift für Niederdeutsche Familienkunde 41 (1), 1963, S. 4. 4 Sklaven – Zucker – Rum. Dänemark und Schleswig-Holstein imAtlantischen Dreieckshandel (Ausst.-Kat. der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek), Heide 1994, S. 160–162. 5 Markus Miller, Das Schreibtischporträt, in: Die Möbel der Mächtigen. Meisterwerke der Schreinerkunst und ihre Besitzer (Ausst.-Kat.), hg. von der Kulturstiftung des Hauses Hessen und dem Museum Schloss Fasanerie unter Mitarbeit von Markus Miller, Gregor Stasch, Andrea Huber und Katharina Marschall, Petersberg 2019, S. 114 –118, hier S. 115.

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