241 der Menschen verschiedener Gesellschaftsschichten zu erkennen. Diemannigfachen Annoncen über Verkäufe und besonders über Diebstahlsanzeigen lassen weitreichende Rückschlüsse über den Bestand und den Konsum von Textilien und anderen Objekten zu. Alle Kategorien geben Aufschluss über Kleidung und Luxusartikel sowie andere Objekte, die im 18. Jahrhundert im Umlauf waren und vor allem, welche sozialen Stände welche Besitztümer zu eigen hatten. Eine erste Analyse der ›Intelligenzblätter‹ liefert vorläufige Ergebnisse zur materiellen Kultur des Alltags, nach der Parvenüs ihre Strategien des gesellschaftlichen Schnellaufstiegs auszurichten hatten. Vor allem liefern sie Anhaltspunkte zur Perzeption und geben Einblick in das Reich einer besonders sensiblen Wahrnehmung von Artefakten, die in den Beschreibungen der Anzeigenblätter deutlich wird. Darüber hinaus öffnen sie den Blick für Details, die allgemeine Beachtung verdienten oder aber in den Texten keine Erwähnung fanden, weil sie den Menschen des 18. Jahrhunderts offensichtlich unwichtig schienen. So gesehen ist die Auswertung des ›Intelligenz-Zettels‹ neben den Erkenntnissen zur Handels- und Konsumgeschichte ein wichtiger Beitrag zur Ästhetik der Aufklärungszeit im Sinne ihrer ursprünglichen Wortbedeutung (altgr.: aisthesis = sinnliche Wahrnehmung). Stichprobenartige Erhebungen einzelner Jahrgänge hatten in der Vergangenheit bereits Ergebnisse geliefert, die Analyse einer hohen Zahl von Ausgaben imHinblick auf Personenbeschreibungen sowie Verkaufs- und Diebstahlsanzeigen bot indes einen umfassenderen Überblick über Mengen und Qualitäten von Textilien sowie von Luxusgegenständen vor allem aus der Mitte und der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.1 Forschungsstand Schon um 1800 bemühten sich Joachim von Schwarzkopf in seiner ›Uebersicht der sämmtlichen Intelligentz- undNachrichtsblätter in Deutschland‹2 und Johann Barthold Stiebritz in der ›Intelligenzblätterkunde für den nicht unterrichteten Privatmann‹3 um eine erste übersichtliche Zusammenstellung sämtlicher Anzeigenblätter. Auf diese frühen Bearbeitungen beruft sich auch Astrid Blome, die sich intensivmit der historischen Presseforschung beschäftigt und bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts eine Wertschätzung der Anzeigenblätter festgestellt hat: »Intelligenzblätter [wurden] als ein Phänomen gewürdigt, das es im Rahmen der Bestandsaufnahmen des Wissens der Gegenwart inhaltlich zu erfassen und zu definieren galt.«4 Ebenso verweist Blome auf Holger Böning, der zur Quellengattung des Intelligenzzettels forscht; insbesondere für die ›Duisburger Intelligenz-Zettel‹ ist Werner Brauksiepe zu nennen.5 Als vergleichbare Quelle dienten Stefan Droste die ›Berlinischen Nachrichten‹, die er auf Diebstahlsanzeigen in den 1760er-Jahren untersuchte und als »besondere Zeugnisse materieller Kulturen«6 bezeichnete. Pina Weymann hat das ›Hannoversche Polizeiblatt‹ hinsichtlich Kleidungsbeschreibungen untersucht.7 In jüngster Vergangenheit hat Isa FleischmannHeck die ›Duisburger Intelligenz-Zettel‹ erstmals als Quelle für die Textilforschung genutzt: Innerhalb eines Forschungsprojekts am Deutschen Textilmuseum Krefeld wurden die Jahrgänge von 1760 bis und Perspektiven der historischen Presseforschung, hg. von Astrid Blome und Holger Böning, in: Presse und Geschichte. Neue Beiträge, hg. von Holger Böning, Michael Nagel und JohannesWeber, Bd. 36, Bremen 2008, S. 179 –208, hier S. 189 –192. 5 Werner Brauksiepe, Geschichte des Duisburger Zeitungswesens von 1727 bis 1870, Diss. Würzburg 1937. 6 Stefan Droste, DieMaterialität des Verlusts. Verlorene Dinge in den Kleinanzeigen der Berlinischen Nachrichten (1764 –1769), in: Akteur-Netzwerk-Theorie und Geschichtswissenschaft, Leiden 2021, S. 145 –146. 7 Pina Weymann, Das Hannoversche Polizeiblatt, in: Trachten in der Lüneburger Heide und im Wendland, hg. von Karen Ellwanger, Andrea Hauser und Jochen Meiners, in: Visuelle Kultur, Studien und Materialien, Bd. 9, hg. von Irene Ziehe und Ulrich Hägele, Paderborn 2015, S. 332–338. Der Artikel gibt Auszüge aus der Bachelorarbeit der Autorin wieder, in der Steckbriefe undDiebstahlsanzeigen der Jahrgänge 1853 sowie ausschnitthaft 1854 bis 1869 untersucht wurden. ImHinblick auf das Kleidungsverhalten in der Region der Lüneburger Heide und desWendlands liegt der Fokus auf den beschriebenen Kleiderkombinationen bei Frauen und Männern. Die Autorin wertete das Polizeiblatt hinsichtlich Schnitten und Formen sowie Farbangaben der Kleidung aus.
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