243 Intelligenzblätter Die sogenannten Adressbüros, welche die Intelligenzblätter herausgaben, brachten mit den regelmäßig erscheinenden Bekanntmachungen »vollkommen neuartige Kommunikationsstrukturen«9 hervor. In seinem Aufsatz konstatiert Holger Böning: »Die Entstehung der gedruckten, für ein allgemeines Publikum zugänglichen und regelmäßig erscheinenden Zeitung zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist von kaum zu überschätzender Bedeutung für die politische und kulturelle Entwicklung der folgenden Jahrhunderte. Ohne die Zeitung ist die Herausbildung des neuen Mediensystems, dessen die Aufklärung zu ihrer Entstehung bedurfte und ohne das sie sich nicht hätte entfalten können, nicht vorstellbar.«10 War vorher die Kommunikation alltäglicher Neuigkeiten und wichtiger Mitteilungen über Mundpropaganda erfolgt, war nun der Grundstein für einMediumgelegt, das sämtliche Gruppen der Gesellschaft verband und als »zentrale[s] publizistische[s] Mediumder Aufklärung«11 angesehen werden kann.12 Die sogenannten Intelligenzblätter oder -zettel gab es in vielen verschiedenen Landesteilen, sie sind also inhaltlich stark auf ihre jeweilige Region bezogen. Die Bezeichnung ›Intelligenz‹ ist in ihrer damaligenNutzung nicht auf den Verstand bezogen, sondernwurde vom lateinischen Verb intellegere für ›einsehen, Kenntnis haben‹ abgeleitet.13 Die ersten Gründungen des neuen Magazinblatts gab es bereits in den 1630er-Jahren in Frankreich und England. Die erste Herausgabe eines deutschen Intelligenzblatts fand 1722 in Frankfurt am Main statt, es folgten auf deutschsprachigem Gebiet über 200 Gründungen.14 In der Benennung der Ausgaben gibt es große Unterschiede, das Grundschema war aber meist einheitlich: Unter einer kurzgefassten Überschrift folgten lange Untertitel, welche Informationen über die Regionen und derzeitigen Herrscherstrukturen beinhalteten. Diese wechselten imLauf der Jahre mehrmals. Laut Böning »[illustrieren] die Untertitel der Intelligenzblätter den Wandel«,15 der auch durch die verschiedenen Stadien des Blatts erkennbar ist: Das reine Anzeigenblatt, das verschiedene Bekanntmachungen veröffentlichte, entwickelte sich über beginnende aufklärerische wie alltagspraktische Veröffentlichungen und literarisch-moralische Aufsätze sowie solche zu theologischen Fragestellungen zu einem Magazin, das zum Ende hin Züge einer politischen Zeitschrift aufweist.16 Auch bei der untersuchten Duisburger Ausgabe sind solche Entwicklungen mit unterschiedlichen Kategorien erkennbar, sie spielen aber für die Betrachtung der Distribution und Zirkulation von Textilien und Luxusgegenständen keine Rolle. Obschon der Aufbau der verschiedenen Anzeigenblätter aus unterschiedlichen Landesteilen vergleichbar ist, sind auch gewisse Unterschiede zu verzeichnen: So enthielten die ›Braunschweigischen Anzeigenblätter‹ Äußerungen, die sich auf vorangegangene Bekanntmachungen beziehen. Antworten von Angeklagten und anderen Personen auf Meldungen, die oftmals als Gerüchte bezeichnet wurden, fielen dabei häufig beleidigend aus, sodass in Braunschweig Anfang des 19. Jahrhunderts »die Obrigkeit diesem Treiben [...] ein Ende« bereitete.17 In den ›Duisburger Intelligenz-Zetteln‹ hingegen sucht kann davon ausgegangen werden, dass in der Mitte des 18. Jahrhunderts nur rund zehn Prozent der europäischen Bevölkerung des Lesens fähig waren, bis 1800 stieg dieser Wert auf 25 Prozent an. Dabei muss jedoch von Unterschieden zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung ausgegangen werden, ebenso war besonders innerhalb der niedrigeren Bevölkerungsschichten das Vorlesen verbreitet. Vgl. Reinhard Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels, München 2019, S. 174 –175 und Werner Faulstich, Die bürgerliche Mediengesellschaft (1700–1830), Göttingen 2002, S. 26. 13 Vgl. Blome, Regionale Strukturen (wie Anm. 12), S. 80. 14 Vgl. ebd., S. 81. 15 Holger Böning, Das Intelligenzblatt, in: Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland von 1700 bis 1800, hg. von Ernst Fischer, Wilhelm Haefs und York-Gothart Mix, München 1999, S. 89 –104, hier S. 96. 16 Vgl. Böning, Das Intelligenzblatt (wie Anm. 16), S. 93 –96. 17 Vgl. Peter Albrecht, Inserate als Mittel zur Verteidigung der Ehre. Oder wer las um 1800 eigentlich die Intelligenzblätter?, in: Historische Presse und ihre Leser. Studien zu Zeitungen und Zeitschriften, Intelligenzblättern und Kalendern in Nordwestdeutschland, hg. von Peter Albrecht und Holger Böning, in: Presse und Geschichte. Neue Beiträge, hg. von Holger Böning, Michael Nagel u. Johannes Weber, Bd. 14, Bremen 2005, S. 201 –210.
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