8 ebenso wie Wirtschafts-, Kunst- oder Militärkarrieren.2 Sie sind vielfach erschlossen und in Geschichtsbüchern nachzulesen. Allein, welche Rolle die materielle Kultur in Form von Architektur, Inneneinrichtung, Kleidung, Schmuck, Kunstproduktion oder Kunstsammlung für die Aufsteiger:innen spielte, bleibt oft unterbelichtet. Meist interessiert sich die Forschung für die materielle Prunkrepräsentanz bereits etablierter Parvenüs, weniger jedoch für deren materielle Kulturpraxis während und im Dienste des Aufstiegs. Annäherungen an die Objektkultur Die Theoriebildung zur Erforschung der materiellen Kultur beschränkte sich anfangs oft – je nach Disziplin – eher auf die Feststellung, dass Dinge als Quellen in den Blick genommen werden müssen, es fehlte aber häufig eine klare Vorstellung, welche Methoden sich bei welcher Objektart und bei welcher Fragestellung am besten eignen. Die vor allem in der Archäologie und der Volkskunde etablierten Arbeitsschritte bei der Analyse von Objekten fanden erst nach und nach ihren Niederschlag in den Diskursen. In den letzten Jahren hingegen nehmen in die theoretischen Überlegungen eingebettete konkrete Objektstudien insbesondere in der Geschichtswissenschaft zu, die Vorgehensweisen der objektbasierten Forschung auf die Probe stellen.3Wenig thematisiert werden noch immer die oftmals hohen Erwartungen an die Erzählfähigkeit der Dinge, die aber aus unterschiedlichen Gründen wie einem schadhaften oder unvollständigen Erhaltungszustand und fehlenden kontextualisierenden Informationen eingeschränkt sein kann. Auch die Art der überlieferten Gegenstände kann eine Verschiebung des Bildes verursachen, da nicht alles für aufbewahrenswert erachtet wurde bzw. auch Kriege und andere Katastrophen zur zufälligen Vernichtung von Objekten geführt haben. Die objektzentrierte kunsthistorische und kunsttechnologische Erforschung von Originalen bietet die Möglichkeit, Materialität, Technik, Ausführungsqualität, Gebrauchszweck etc. zu beurteilen. Darüber hinaus liefert die Nahsicht auf Objekte Informationen zu nachträglichen Veränderungen und Spuren des Gebrauchs. Nicht möglich ist es jedoch in den meisten Fällen, wie etwa bei der Untersuchung der Seidenstoffe im Bestand des Deutschen Textilmuseums (Teilprojekt 4), Objekte Akteur:innen und Verwendungskontexten zuzuordnen. Daher sind an dem hier verwahrten Bestand keine Aufschlüsse über Bedeutungszuschreibungen sowie persönlicheWert- undGeschmacksurteile möglich. Auch die Frage, warum bestimmte Dinge Luxusgüter, Statussymbole, Prestigeobjekte, begehrte Geschenke oder Diebesgut wurden, kann objektimmanent nur teilweise beurteilt werden, etwa anhand kostbarer Materialien und aufwendiger Verarbeitungsweisen. Allenfalls lässt sich feststellen, ob es sich um ein Einzelobjekt oder eines aus einer seriellen bzw. massenhaften Produktion handelt. Gleichwohl erzeugen die Rekonstruktionen diverser Bezüge zum bürgerlichen Aufstieg und 2 Dem vorliegenden Sammelband liegen zahlreiche Parvenükarrieren exemplarisch zugrunde. Zu den schillernden Beispielen eines Schnellaufstiegs im Militärdienst zählt sicherlich John Churchill, 1. Herzog von Marlborough (1650–1722), dem unlängst eine höchst instruktive kunst- und sammlungsgeschichtliche Studie gewidmet wurde: Carina A. E. Weißmann, Die Bronzen des Massimiliano Soldani Benzi (1656 –1740). Repräsentationsstrategien des europäischen Adels um 1700, Berlin/Boston 2022, S. 187–253. Zu den geistlichen Karrieren aus kunst- und sozialgeschichtlicher Perspektive vgl. den Überblick bei Philipp Zitzlsperger, REQUIEM – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit. Ergebnisse, Theorien und Ausblicke des Forschungsprojekts, in: Vom Nachleben der Kardinäle. Römische Kardinalsgrabmäler der FrühenNeuzeit, hg. von Arne Karsten und Philipp Zitzlsperger (humboldtschriften zur kunst- und bildgeschichte 10), Berlin 2010, S. 23 – 65. 3 Zum Beispiel eine von Joseph Furttenbach entwickelte Seilwinde, Kim Siebenhüner, Things that matter. Zur Geschichte der materiellen Kultur in der Frühneuzeitforschung, in: Zeitschrift für Historische Forschung 42, 2015, H. 3, S. 373 – 409. Siehe auch Materielle Kultur und Konsum in der Frühen Neuzeit (Ding, Materialität, Geschichte 1), hg. von Julia A. Schmidt-Funke, Köln/Wien/Weimar 2019. 4 Arjun Appadurai, Introduction: commodities and the politics of value, in: The social life of things. Commodities in cultural perspective, hg. von dems., Cambridge 1986, S. 3 – 63. Siehe auch: Bert de Munck und Dries Lyna, Locating and Dislocating Value. A Pragmatic Approach to Early Modern and NineteenthCentury Economic Practices, in: Concepts of Value in European Material Culture, 1500–1900, hg. von dens., Ashgate 2015, S. 1 –29.
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