15 den Schreiber-Weigand im Nachhinein als »eigentlichen Begründer der Städtischen Kunstsammlung«14 apostrophiert hatte.Ankäufe aus der IV.Graphischen Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes, von Klinger-Grafik auf einer Auktion bei Beyer in Leipzig sowie Erwerbungen der Künstlerkriegshilfe gehörten ebenfalls zum städtischen Kunstbesitz. Die Kunsthütte konnte auf etwa 850 Grafiken und 209 Zeichnungen verweisen. Seit 1910 wurde in größerem Umfang das grafische Werk von Albert Welti gesammelt. Käthe Kollwitz war mit 27 Arbeiten vertreten, und zunehmend waren in den letzten Jahren auch Werke der Brücke-Künstler in den Bestand gelangt. Im Bereich der Zeichnung ist die Schenkung des Fabrikbesitzers Hugo Oppenheim (1861– 1921) im Jahr 1910 von 82 Studien zu dem Gemälde Golgatha von Mihály von Munkácsy zu erwähnen. Gründung des Graphikkabinetts Einige Monate nach seinem Amtsantritt legte Friedrich Schreiber-Weigand der Stadt Chemnitz ein Konzept vor, wie zukünftige Strukturen, insbesondere das Verhältnis von Stadt und Kunsthütte sowie den weiteren Ausbau der Sammlung betreffend, entwickelt werden müssten.15 Besonderen Raum nahm die Grafiksammlung – unter Verweis auf seine früheren Eingaben in dieser Sache – ein, da hierfür etwas Neues zu schaffen sei. »Die Werke lagen bisher wohlgeordnet, gut montiert und gut aufgehoben unproduktiv in Schränken verstaut,weil kein Raum vorhanden war,wo sie der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden konnten.«16 Um diesen von ihm benannten Missstand zu beheben, schlug er vor, »einen besonderen Raummit Ausleihemöglichkeit [sic] bereitzustellen; also ein graphisches Kabinett zu schaffen, wo die Blätter unter Aufsicht jedermann zugänglich gemacht werden können«. In dem angedachten Kabinett sollten beide grafischen Sammlungen zusammengeführt werden,17 ergänzt durch eine freihändige Kunstbibliothek mit Nachschlagewerken, Werkverzeichnissen und Kunstzeitschriften, um allen Interessierten ein Selbststudium und Lektüre zu ermöglichen.Zur allgemeinen Bildung plante er ferner, eine Sammlung mit Reproduktionen bedeutender Kunstwerke und grafischer Meisterwerke sowie Fotografien von Kunstdenkmalen anzulegen. Sein leidenschaftliches Engagement und seine Beharrlichkeit wurden schließlich belohnt: Museumsausschuss und Rat der Stadt bewilligten ihm diesmal die Mittel zum Ausbau der grafischen Sammlung. Erfolgreich verliefen auch die Verhandlungen mit dem Handwerksverein zur Abgabe von Räumen des Gewerbemuseums.18 Dem Graphikkabinett wurden der letzte Raum und das anschließende Eckzimmer im Ostflügel des Erdgeschosses zugewiesen. Ein direkter Zugang war über das seitliche Treppenhaus von der Museumsstraße (heute Käthe-KollwitzStraße) möglich. In der folgenden Zeit mobilisierte Schreiber-Weigand enorme Energien für die Planung und Einrichtung der neuen Räumlichkeiten.Als Sponsoren für Kunstankäufe und für die Inneneinrichtung der Räume konnte er Chemnitzer Bürger und Firmen gewinnen.19 Für das ambitionierte Vorhaben bat er Künstler ganz gezielt um Schenkungen – mit dem Argument der zukünftigen Kabinetteröffnung. So stifteten unter anderem Max Beckmann, Lovis Corinth, Erich Heckel, Max Liebermann und Otto Mueller der Städtischen Kunstsammlung Blätter.20 Für Schreiber-Weigand war in der Zeit der Vorbereitung der Eröffnung des Graphikkabinetts der Ankauf von sogenannten Reichsdrucken von großer Wichtigkeit.21 Mit verhältnismäßig geringem finanziellen Aufwand konnte er so Grafik des 16. bis 19.Jahrhunderts in äußerst qualitätvollen Faksimiledrucken als Anschauungsmaterial zum Studium zur Verfügung stellen. Die Besucher im Studiensaal sollten durch 14 Schreiber-Weigand 1920 (wie Anm.8), S.1. 15 Ebd., S.1–5. 16 Ebd., S.3. Zur Planung und Gründung des Graphikkabinetts s. auch Kerstin Drechsel, »Die Gründung der grafischen Sammlung als Graphikkabinett mit eigenem Studiensaal«, in: Bußmann/Milde 2020 (wie Anm.1), S.170–173. 17 Juristisch blieb der Bestand beider Körperschaften unvereint, für die Kunstwerke wurden getrennte Inventare geführt. Der Verein Kunsthütte wurde 1947 aufgelöst, und de jure gelangte der Kunstbesitz 1950 in städtischen Besitz. 18 Schreiber-Weigand 1920 (wie Anm.8), S.9. 19 Friedrich Schreiber-Weigand, »An die Museumsverwaltung Chemnitz, 26.10.1923«, in: Graphik-Sammlung betreffend 1920–1928, Stadtarchiv Chemnitz III X 68, S.15. Die Innenausstattung des Kabinetts wurde von Stadtrat und Fabrikbesitzer Paul Lange gesponsert. Im Schreiben an die Museumsverwaltung sind noch weitere Sponsoren erwähnt: Hans Stickel, Jean Hoppe, Prof. Dr. Mütterlein, Heumer sowie folgende Firmen: Elektrizitäts-A.-G., vorm. Hermann Pöge, C. G. Haubold, A. G., G.Otto Müller, C. T. Steinert, Bruno Schellenberger, Richard Zieger, I. G. Leistner, R. Hösel & Co. 20 Friedrich Schreiber-Weigand an Otto Mueller, 30.5.1922, in: Briefwechsel 1921– 1932, Kunstsammlungen Chemnitz, Grafische Sammlung, Archiv. 21 Als Stifterin für den Ankauf von 200 Reichsdrucken konnte Betty Oppenheim (1872– 1943), die Witwe des Fabrikbesitzers Hugo Oppenheim, gewonnen werden. Akten des Rates der Stadt Chemnitz betreffend Ankäufe und Schenkungen für das König AlbertMuseum, Stadtarchiv Chemnitz III X 31, S.162.
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