32 Hackert und Wille seien hier exemplarisch als Protagonisten zweier gegensätzlicher Ideale von Landschaftsmalerei im späten 18.Jahrhundert eingeführt. Ein vertiefender Blick auf diese Kunstgattung zeigt uns allerdings, welche Breite das gesamte Spektrum der Auffassungen von Naturdarstellungen besaß, wie eng diese Vielfalt an Konzepten aber auch miteinander verbunden war.Unzählige Traktate über Landschaftsmalerei zeugen von der großen Bedeutung,die der Landschaft als Bildmotiv seit der Romantik zukam. An den Akademien hatten die jungen Künstler wohl ihre Mühe, manche langatmigen Anleitungen zur Perspektivlehre, zu Tag- und Nachtstücken, zur Geologie oder zum Studium der Wolken, der Gewässer, der verschiedenen Baum- und Laubformen und zur Frage, ob und welche Figuren in den entsprechenden Landschaftsräumen angemessen seien, zu studieren. Einerseits verpflichteten die Lehranstalten und ihre Professoren die angehenden Künstler zur genauen Lektüre der einschlägigen Literatur und zur Einhaltung der darin festgeschriebenen Regeln, andererseits aber eröffnete die Landschaft mit ihren vielfältigen Erscheinungsformen den angehenden Malern auch individuelle Freiheiten der Gestaltung von Naturszenen.2 Um 1800 räumte man dem Unterricht im Landschaftsfach auch an den Akademien einen höheren Rang ein. Königsdisziplinen der Ausbildung blieben jedoch die Porträtkunst und die Historienmalerei. Mit der zunehmenden Wertschätzung der Darstellung landschaftlicher Räume ging ein Wandel in den Produktionsprozessen von Bildern einher. Die Entwürfe und Skizzen, ja sogar ganze Gemälde entstanden mit der Zeit nicht mehr im Atelier, sondern vor Ort in der freien Natur. Viele Künstler eigneten sich dadurch neue Techniken des Malens und des Zeichnens an, und sie lernten den Umgang mit lange Zeit wenig beachteten Materialien wie etwa den Aquarellfarben. Hinzu kamen für den Transport geeignete optische Hilfsmittel wie die Camera obscura und Camera lucida. Damit ließen sich Naturphänomene direkt auf ein Blatt Papier projizieren, die es dann nur noch nachzuzeichnen galt. Die Ausbildung zum Landschaftsmaler setzte mehrere Jahre intensiven Studiums und praktischer Übungen voraus.Aber auch dem Betrachter der Werke wird einiges abverlangt. Wenn die bildende Kunst eine Schule des Sehens ist, dann ist auch der Kunstliebhaber dazu angeleitet, die Zeichnungen, Studien und Gemälde genau in den Blick zu nehmen, ihre Besonderheiten zu erfassen und eigene Erkenntnisse zu gewinnen. Dem Landschaftsmaler kam dabei eine besondere Bedeutung zu. Die unmittelbare Erfahrung aller Phänomene unter freiem Himmel wurde zu einem entscheidenden Kriterium seiner Tätigkeit.Denn die Nähe zur Natur erzeugte auch das Bewusstsein für eine Distanz von der Natur.Die zuweilen formulierte Versicherung,das Werk sei nach der Natur entstanden, enthüllt diesen Doppelsinn, da die Präposition »nach« nicht nur als lokale, sondern auch als temporale Bestimmung verstanden werden kann und damit den Prozess der Stilisierung oder Abstraktion erfasst. Die Transformation vom wahrgenommenen Gegenstand zum wiedergegebenen Abbild erfolgt in einer für den Betrachter nachvollziehbaren Weise, da er die charakteristischen Eigenschaften der Dinge wie die äußere Form, Struktur oder Farbe von Felsen, Wasser, Bäumen oder Wolken als natürliche Gegebenheiten wiedererkennen, aber eben auch ihre Abweichungen im Bild als individuelle Empfindungen des Malers wahrnehmen und mit seinen eigenen Erfahrungen abgleichen kann. Dies trifft weder für geschichtliche Ereignisse im Historienbild zu, an denen der Betrachter ja nicht beteiligt ist, noch für die Porträtmalerei, wenn er die abgebildeten Personen nicht aus eigener Anschauung kennen kann. Die Natur ist im späten 18. und weit in das 19.Jahrhundert hinein ein zentrales Motiv der bildenden Kunst, aber ebenso der Musik und der Literatur. Aus einer Fülle von Schlüsseltexten seien hier nur exemplarisch genannt: Die Idyllen (1756) von 2 Werner Busch, Landschaftsmalerei. Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren, Bd.3, Berlin: Reimer 1997.
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