Leseprobe

235 →96 | 97 Als Sohn des Dresdener Hofmalers Ernst Ferdinand Oehme wuchs Erwin Oehme in einem stark künstlerisch geprägten Haushalt auf. Einfluss nahm sicher auch Ludwig Richter, mit welchem Familie Oehme freundschaftlich verbundenen war und viele Jahre gemeinsam in einem Haus in der Dresdener Friedrichstadt wohnte. 15-jährig wurde Erwin Oehme an der Kunstakademie in Dresden aufgenommen, wo er viele Jahre studierte, unter anderem auch in Ludwig Richters Landschaftsatelier. Um sich von den Dresdener Heroen mit ihrer Detailmanier zu emanzipieren und sich freier und kühner zu entwickeln, beschloss er, seine berufliche Laufbahn in München fortzusetzen. Eine schwere Erkrankung führte ihn aber schon nach kurzer Zeit in seine Heimatstadt zurück, wo er ab 1855 als freischaffender Künstler tätig wurde. Fortan übernahm er verschiedene Arbeiten für öffentliche und private Auftraggeber, darunter viele Wandbilder, beispielweise für die Albrechtsburg in Meißen, und gemeinsam mit weiteren Schülern Ludwig Richters Lünettengemälde zur Gestaltung des Treppenhauses für das zweite Opernhaus Gottfried Sempers in Dresden.1 Diese Werke brachten ihm viel Anerkennung ein, weshalb Oehme 1887 als Professor für freies Landschaftszeichnen und -malen an das Polytechnikum (heute Technische Universität) in Dresden berufen wurde. Betrachtet man sein gesamtes Œuvre, so nehmen die Aquarelle einen besonderen Stellenwert ein. In ihnen setzte Oehme das um, was er wohl schon 1855 mit seinem Wegzug aus Dresden angestrebt hatte: eine lockere Malweise in meist hellen und frischen Farben. »Da fügte sich die Farbe nicht mehr kolorierend in strenge Umrisse, da wurde nass in nass aufs feuchte Papier gesetzt. Hier war ein Maler, der sich getraute die Naturwirklichkeit als sinnliches Phänomen von Farbe und Licht zu begreifen und unmittelbar in sein Medium zu transportieren.«2 Diese Beschreibung trifft ganz auf das Aquarell Im Garten zu. Es sind ein Schuppen samt Gartenzaun zu sehen, die von einer üppig wachsenden Kürbispflanze überwuchert werden. Scheinbar war Oehme vom beeindruckenden Naturphänomen fasziniert, wie aus einem einzigen Kürbiskern innerhalb weniger Monate eine mammutartige Pflanze den Garten erobern kann. Die Malweise des Holzfuhrwerks im Wald, hier in dunklen Farben, wirkt durch die rasche Ausführung noch moderner und erinnert an Werke impressionistischer Künstler. Einen Teil von Oehmes Aquarellen erwarb die Technische Hochschule Dresden schon um 1905 für die Lehrsammlung. 2003 wurden diese erstmals in einer Sonderausstellung in der Villa Eschebach in Dresden präsentiert. CMM 1 Karl Josef Friedrich, Ludwig Richter und sein Schülerkreis, Leipzig: Koehler & Amelang 1955, S.99–106. 2 Hans Joachim Neidhardt, »Mut zur Farbe – Erwin Oehmes Aquarelle«, in: Erwin Oehmes Aquarelle, hrsg. v. Technische Universität Dresden, Dresden: Technische Universität Dresden 2003, S.9.

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