Leseprobe

12 – 13 Reiterstandbild des Kurfürsten Friedrich Wilhelm Das Denkmal, beauftragt von Friedrich III. (später König Friedrich I.), zeigt den Kurfürsten Friedrich Wilhelm auf einem Pferd reitend, den Blick in die Ferne gerichtet. Ihm zu Füßen sitzen vier in Ketten gelegte Menschen, die vermutlich seine Feinde, Schweden, Polen, Frankreich und das Osmanische Reich, symbolisieren.1 Das 1703 fertiggestellte und auf der Langen Brücke vor dem Berliner Schloss positionierte Reiterstandbild wurde 1708/09 um die vier Sockelfiguren ergänzt. Die politische Bedeutung der Figuren wird bis heute diskutiert.2 Ikonografisch eindeutiger sind die französischen Vorbilder dieser Statuen von versklavten oder gefangenen Männern: So war der Sockel des während der Revolution zerstörten Monuments von König Henri IV. auf der Pont Neuf (Neue Brücke) in Paris von vier Figuren gesäumt, die versklavte Männer zeigten. Bei einer handelte es sich um einen Afrikaner.3 Die Skulpturen der Sklaven am Sockel des 1792 zerstörten Denkmals von Louis XIV., das auf der Place de la Victoire in Paris stand, ähneln in der Art ihrer Gestaltung den jedoch allgemeiner gehaltenen Figuren am Reiterstandbild des Kurfürsten.4 Sowohl in Paris als auch in Berlin wurde die Aufstellung der Statuen mit dem begleitenden zeremoniellen Programm kritisiert und erhielt polemische Repliken. Im Fokus dieser standen die der Götzenverehrung gleichkommende Herrscherehrung und die vermeintliche Unterwerfung der Feinde, versinnbildlicht durch die versklavten Menschen.5 In Frankreich wurden die Herrscherdenkmäler während der Französischen Revolution gestürzt und die Figuren der Versklavten separat bewahrt, weil der damit ausgedrückte Machtanspruch während der Revolution auf Ablehnung stieß. Koloniale Bestrebungen waren vom Machtanspruch des Kurfürsten und seines Nachfolgers nicht ausgenommen. Auf der lateinischen Inschrift am Sockel des Berliner Reiterdenkmals, die von dem für das ikonografische Programm zuständigen Gelehrten Johann Georg Wachter verfasst wurde, ist der Monarch als »Held« beschrieben, der für die »Liebe des Erdkreises« stand und als »Schrecken der Feinde« galt.6 Die imperialen Ambitionen des Monarchen umfassten um 1700 auch die Westküste Afrikas und Gebiete darüber hinaus. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Bedeutung dieses Strebens prominent aufgegriffen. So soll Kaiser Wilhelm I. nach dem Erwerb von Kolonien ehrfürchtig gesagt haben, dass er nun mit gutem Gewissen vor das Reiterstandbild treten könne, da er das koloniale Vorhaben des Kurfürsten »aufgenommen und weiter ausgebildet« habe.7 | CAROL IN ALF F Machtanspruch in Bronze

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