Leseprobe

14 – 15 Reiterstandbild des Kurfürsten Friedrich Wilhelm Im 17. Jahrhundert wurden zwischen 17000 und 30000 Afrikaner:innen von der BAC verschleppt und versklavt. Nach dem Tod Friedrichs I. 1713 ging die Festung schließlich an niederländische Kolonisten über. Freilich hatte sich Brandenburg durch seine auf Kosten Tausender Afrikaner:innen unternommenen Kolonialbestrebungen zu diesem Zeitpunkt bereits Prestige und finanzielle Gewinne gesichert. Die Motive des Reiterstandbilds, das an den Großen Kurfürsten erinnert, verklären Preußens Macht und Oberhoheit über seine Staatsfeinde. Nur ein Teil dieser Erzählung jedoch wird hier sichtbar; die BAC und ihre Rolle im Sklavenhandel bleiben unerwähnt. Welche Funktion erfüllt das Standbild aber dann als Mahnmal? Welche Narrative vermittelt es; welche werden aus der Geschichte ausgeklammert? Theodor Michael stellt seinem Buch Deutsch sein und Schwarz dazu gleichsam als Motto ein fiktives Zitat voran: »Der eine: ›Ja, genau so ist es gewesen.‹ Der andere: ›Aber genau so war es nicht.‹«8 Der Autor möchte uns darauf aufmerksam machen, dass uns Geschichte präsentiert wird, als sei sie »genau so« geschehen, wie sie erzählt wird. Das Narrativ der Vergangenheit aber ist niemals abgeschlossen; viele Dinge sind nie erzählt worden. Das Narrativ des Reiterstandbilds lässt sich zu einer umfassenderen Erzählung der Kolonialgeschichte erweitern. Seit 2020, andernorts auch früher, werden Mahnmäler für Kolonialgeschichte und rassistische Figuren immer häufiger infrage gestellt. In Deutschland löste die (geplante) Umbenennung von Straßennamen in Berlins Afrikanischem Viertel und der M_straße in Berlin-Mitte heftige Diskussionen aus. Anders als die Umbenennung von Straßen würde eine Umwidmung des Standbilds aber nicht den Zweck erfüllen, historische Narrative zu korrigieren. Ein Denkmal gibt schließlich nicht die Geschichte selbst wieder. Vielmehr stehen Denkmäler für ein Narrativ der Vergangenheit, das Einzelne ihnen zugeschrieben haben.9 Das Reiterstandbild etwa erzählt ausschließlich den Teil der preußischen Geschichte, der in ihm Gestalt angenommen hat. Die bislang bekannte historische Erzählung aber ist unvollständig. Historiker:innen, Künstler:innen und Restaurator:innen haben die Aufgabe, diese Erzählung zu berichtigen. Eingriffe in Denkmäler – sei es in Form von Ergänzungen, Veränderungen oder auch ihrer Beseitigung – könnten den Weg in die Zukunft weisen. Vor diesem Hintergrund könnte man das historische Narrativ des Reiterstandbilds so umschreiben, dass nicht nur die Perspektive der Mächtigen in ihm zum Ausdruck kommt. | HATEM HEGAB | 1 Vgl. Frank 2001. – Ziegler 2010. | 2 Frank 2001, S. 351, Anm. 31. | 3 Vgl. Frank 2001, S. 342. – McGrath 2012. | 4 Vgl. Ziegler 2010, S. 132. | 5 Vgl. Frank 2001. | 6 Inschrift zitiert in Frank 2001, S. 344, nach Ladendorf 1961. | 7 Schmidt 1893, S. 450. | 8 Michael 2013, S. 8. | 9 Siehe Catterall 2020.

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