90 – 91 Alexander von Humboldt am Chimborazo Auf einem Hochplateau der Anden hat der Forschungsreisende Alexander von Humboldt mit seinem französischen Kollegen Aimé Bonpland ein Lager aufgebaut. Im Vordergrund steht Humboldt in europäischer Kleidung und übernimmt einen Sextanten von einem indigenen Begleiter. In der rechten Ecke unter einer Zeltplane sitzt Aimé Bonpland mit einer Botanisiertrommel und über ein Herbarium gebeugt. Neben ihm liegt ein toter Kondor. Links macht eine Gruppe indigener Begleiter der Expedition ein Feuer, um Kartoffeln zu kochen, ein weiterer versorgt die Lasttiere. Den Hintergrund des Gemäldes bestimmt der schneebedeckte Vulkan Chimborazo, im heutigen Ecuador gelegen. Auf den Expeditionskisten, zwischen Humboldt und Bonpland, ist eine Aufschrift zu erkennen: »Expe[dition] Prussiana Hist[oriae] natur[alis]«. Neuere Forschungen haben ergeben, dass das Gemälde nicht vom preußischen König in Auftrag gegeben wurde, wie bisher angenommen, sondern von der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Es wurde nach Fertigstellung von König Friedrich Wilhelm III. angekauft.1 Während Humboldts Amerika-Reise von 1799 bis 1804 verbrachte die Expeditionsgruppe mehrere Tage am Chimborazo, wie wir durch das Reisetagebuch und zahlreiche Skizzen wissen. Die Besteigung des Sechstausenders scheiterte zwar, aber die Reisegruppe drang in eine bis dato nicht erreichte Höhe vor.2 Der Hofmaler Friedrich Wilhelm Weitsch schuf das Gemälde nach Anweisungen und Skizzen, die Alexander von Humboldt ihm zur Verfügung stellte. Der Forscher schätzte den Maler, beauftragte ihn gleich nach der Rückkehr aus Amerika mit einem Porträt und mit wissenschaftlichen Tierdarstellungen für seine Reisebeschreibung. Einzig die Beschriftung auf den Gepäckkisten hat der Maler vermutlich erst nachträglich und ohne Humboldts Wissen hinzugefügt. Die ganze Forschungsreise in die spanischen Kolonien, die mit Genehmigung und unter dem Schutz der spanischen Regierung stattfand, wird damit als preußisches Projekt deklariert. Die Inschrift bot somit dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. die Möglichkeit, nachträglich an dem Ruhm der Expedition Anteil zu nehmen. Humboldt als deutscher Gelehrter und Untertan des Königs habe laut zeitgenössischen Berichten nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Nation ein Denkmal gesetzt.3 | SUSANNE EVERS Humboldts Expedition als preußisches Projekt
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