Brandenburg-Preußen hat eine lange zurückreichende koloniale Vergangenheit. Die Schlösser und Gärten waren immer wieder Schauplätze kolonialer Handlungen und Denkweisen. Die Hofgesellschaft war dabei zum Teil direkt, zum Teil indirekt in dieses System eingebunden. Noch bis ins 19. Jahrhundert arbeiteten verschleppte Menschen am preußischen Hof. An zahlreichen Kunstwerken in den Schlössern können koloniale Kontexte abgelesen werden. So selbstverständlich diese Aussagen für viele klingen, so wenig bekannt sind im Einzelnen die Hintergründe, Geschichten und Biografien. Bisher wurden die Schlösser und die Sammlungen in erster Linie mit einem europäischen Blick auf ihre architektur- und kunsthistorischen Besonderheiten betrachtet und den Besuchenden präsentiert. Im Angesicht einer pluralistischen Gesellschaft, sozialem Wandel, kultureller und gesellschaftlicher Globalisierung sowie einer beginnenden Auseinandersetzung mit der deutschen und preußischen Kolonialgeschichte ist es wichtig und notwendig, diese Erzählweise zu erweitern und bisher übersehene oder vernachlässigte Perspektiven hinzuzufügen. Jedes der 24 vorgestellten Objekte, Werkkonvolute oder Gebäude wird zunächst auf klassische Weise kunsthistorisch beleuchtet. Ein weiterer Text zu demselben Objekt behandelt dann die Lücken in der Geschichte, oder erzählt eine Parallelgeschichte, die sich auf Aspekte der Kolonialgeschichte, Probleme bestehender Narrative oder auf ausgeklammerte Informationen etablierter Kontexte konzentriert. So ist unter anderem nachzulesen, dass die auf der Pfaueninsel hergestellten farbigen Glasperlen im Versklavungshandel in Westafrika als Zahlungsmittel eingesetzt wurden, auf welchen Wegen die Biografien von Schwarzen Bediensteten am Hof teilweise rekonstruiert werden können und wie vermeintlich chinesische Motive in der angewandten Kunst meist europäische Vorstellungen von China wiedergeben. Mit dieser Sichtweise steht das Handbuch erst am Anfang des Prozesses einer kritischen Aufarbeitung der kolonialen Kontexte in den Schlössern und Gärten. Der notwendige externe Blick wird hier zunächst nur auf zwei besonders kritisch diskutierte Objekte geworfen: die Büsten des Ersten Rondells im Park Sanssouci (Kapitel 5) und die sogenannte Spitze des Kilimandscharo im Neuen Palais (Kapitel 24). Einführung
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