11 1 Opferberatung des RAA Sachsen e.V. (Hrsg.): Tödliche Realitäten. Der rassistische Mord an Marwa El-Sherbini. Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie Sachsen, Hoyerswerda 2011; https://www.dresden.de/de/rathaus/politik/demokratie-respekt/marwa-el-sherbini.php (Zugriffsdatum: 30.11. 2022). 2 Vgl. Hoffmann, Klaus: Circensische Völkerschauen und Abenteurerliteratur in Dresden, in: Dresdner Hefte 20 (1989), 68–76; Haikal, Mustafa/Gensch, Winfried: Der Gesang des Orang-Utans. Die Geschichte des Dresdner Zoos, Dresden 2009, 40–43; Hanke, Sabine: »Wir wollten sie echt und leibhaftig haben«. American Indians im Zirkus Sarrasani 1906 bis 1945, in: Dresdner Hefte 126 (2016), 51–58; Ludwig, Christina: Völker-an-schauen. Zur unsichtbaren Geschichte des zoologischen Gartens Dresden, in: Dresdner Hefte 146 (2021), 53–59. 3 Vgl. Baleshzar, Lydia: Völkerschauen im Zoologischen Garten Leipzig 1879–1931, in: Deimel, Claus/Lentz, Sebastian/ Streck, Bernhard (Hrsg): Auf der Suche nach Vielfalt, Leipzig 2009, 427–448, hier 445–447; Leipzig Postkolonial: Zoo Leipzig, https://leipzig-postkolonial.de/themen/zoo-leipzig/ (Zugriffsdatum: 30.11. 2022). 4 Terkessidis, Mark: Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute, Hamburg 2019, 89. historischem Bildmaterial wählt der Band verschiedene Ansätze. Es wurden beispielsweise illustrierte Biografien integriert, die in reflektierter Weise und mittels Leerstellen mit überlieferten Bildquellen umgehen. An anderer Stelle wurde bewusst problematisches Bildmaterial nicht gezeigt. Dieser Sammelband ist kein finales und abgeschlossenes Ergebnis, sondern ein Zwischenschritt. Er möchte erste Antworten darauf geben, wie Dresden mit dem Thema der Menschenschauen umgehen kann. Der Kolonialismus stellt für das Stadtmuseum den zentralen Bezugsrahmen dar, da die Völkerschauen im imperialen Deutschen Kaiserreich ihren Höhepunkt erreichten und die europäische Kolonialherrschaft intensiv in der heutigen Gesellschaft nachwirkt. Der Kolonialismus prägte das Wissen über »fremde« Menschen und Territorien – über medial zirkulierende Bilder, einseitige Texte, mündliche Berichte aller Art, museale Präsentationen und nicht zuletzt über Menschen- und Völkerschauen.4 Diese sowohl mit Bildungs- als auch Unterhaltungsaspekten durchzogenen Medien waren Teil des Vergnügungsgewerbes der Großstadt, etwa im aufkommenden Kino (siehe Beitrag von Sophie Döring). Die Begegnungen mit indigenen Menschen haben zudem Spuren in Dresden und seiner Umgebung hinterlassen (siehe die Beiträge von Robin Leipold über indigene Besuche im Karl-MayMuseum und von Hartmut Rietschel über das Grab Edward Two-Twos). AUSBLICK Dieser Band sammelt und versammelt nicht nur Themen, sondern ganz bewusst ebenso unterschiedliche Positionen und Zugänge. Diese mehrdimensionalen und vielstimmigen sowie teilweise widersprüchlichen und streitbaren Ansätze sollen somit in die Öffentlichkeit getragen werden. Als Stadtmuseum verstehen wir uns auch als ein Ort der Positionsaushandlung. Daher bringen wir nicht nur regionale Diskurse und Forschungen zusammen, sondern nehmen zudem Perspektiven und Ansätze anderer überregionaler Akteur:innen auf. Den vorliegenden Band sehen wir – wie eine derzeit in Planung befindliche Ausstellung – als Schritt in diesem Aushandlungsprozess, der in Dresden und anderswo mit zunehmender Intensität geführt wird. Welchen Stellenwert Menschen- und Völkerschauen sowie der damit verknüpfte (Post-)Kolonialismus in der Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur in Dresden haben sollen, ist eine offene Frage. Je nach politischem Standpunkt, Rassismuserfahrungen, historischem Interesse und kulturellem Hintergrund werden auch Dresdner:innen diese Frage ganz unterschiedlich beantworten.
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