Leseprobe

75 Nach seiner Gründung 1861 entwickelte sich Dresdens Zoologischer Garten schnell zum zentralen Vergnügungsort der Stadt.1 In dem Zoogelände am Rande des Großen Gartens trafen das ganze Jahr über alle sozialen Schichten aus Stadt und Umgebung aufeinander. An den Wochenenden flanierten die Besucher:innen zu Tausenden durch die Anlagen. Die andauernden Baumaßnahmen und der Kauf attraktiver Tiere verschlangen hohe Geldsummen, weshalb der Aktienverein des Zoos immer neue Kredite aufnehmen musste.2 Um die finanziellen Verluste auszugleichen, setzte der Verwaltungsrat auf publikumswirksame Veranstaltungen. Die »naturkundliche Bildung«, das Anliegen der Gründerväter, geriet zusehends in den Hintergrund. Spektakuläre Tierdressuren begeisterten das Publikum mehr als die Aufreihung unterschiedlicher Nagetierarten. Abendliche Feuerwerke wurden gezündet, seit 1875 traten regelmäßig Militärkapellen im Zoo auf.3 17 Jahre nach seiner Gründung präsentierte der Zoo 1878 erstmals Menschen, die als Angehörige einer »exotischen« Völkerschaft vermarktet wurden: Eine Familie aus Grönland hatte der aufstrebende Völkerschau-Unternehmer Carl Hagenbeck (1844–1913) angeheuert. Von einem Jahr auf das andere wurde der Zoo zum wichtigsten Dresdner Veranstaltungsort von Menschenschauen. Für die Zeit zwischen 1878 und 1934 konnten 76 Menschenschauen dokumentiert werden, darunter 65 »Völkerschauen«.4 Die Publikumszahlen lassen sich zwar nicht ermitteln, sicher ist aber, dass die Menschenschauen im Zoo viele Hunderttausende Besuche zählten.5 Dieser Beitrag geht zunächst der Frage nach, wer die zentralen Akteure der Schaustellungen von Menschen im Dresdner Zoo waren: Welche Verbindungen zu Völkerschau-Unternehmern unterhielt der Zoo? Anschließend wird dargestellt, 1 Postkarte »Gruss von der Völkerwiese. Zoologischer Garten Dresden«. Wilhelm Hoffmann – Kunstanstalt auf Aktien, Dresden 1901

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