77 Tierhandel als auch mit dem neuen Geschäft von Menschenschauen vertraut. Er war es, der im Sommer 1878 Hagenbecks »Nubier« begleitete und dabei auch nach Dresden brachte. Auch an späteren Völkerschauen war Schoepf beteiligt.8 Unter anderem begleitete er 1880/81 einige Inuit, nachdem der Impresario Johan Adrian Jacobsen (1853–1947) krankheitsbedingt ausgefallen war.9 Der Tour-Teilnehmer Abraham Ulrikab (1845–1881) erwähnte ihn in seinem Tagebuch,10 das als eines der wenigen Selbstzeugnisse eines Völkerschau-Teilnehmers gilt. Ulrikab starb wie alle anderen Inuit während der Tournee an Pocken, weil Jacobsen und Schoepf es unterlassen hatten, sie rechtzeitig zu impfen. Zu Johan Adrian Jacobsen pflegte Schoepf fortan über viele Jahre eine Freundschaft. 1893 holte er ihn in den Dresdner Zoo, wo Jacobsen zwölf Jahre lang das Gesellschaftshaus betrieb – gemeinsam mit seiner in Dresden geborenen Ehefrau, Alma Hedwig Jacobsen, geb. Klopfer (1862–1937).11 Adolph Schoepf hatte 1881 die Leitung des Dresdner Zoos von seinem Vater übernommen. Neben der Verbindung zu Hagenbeck etablierte er Geschäftsbeziehungen mit weiteren Völkerschau-Unternehmern: Nach der Jahrhundertwende waren die Gebrüder Carl Marquardt (1860–1916) und Fritz Marquardt (1862– nach 1912) die wichtigsten Vertragspartner. DER SCHAUSTELLUNGSPLATZ UND DIE TEILNEHMENDEN Der erste Schaustellungsplatz mit Tribüne (auch »Völkerwiese« genannt) befand sich hinter dem Elefantenhaus in unmittelbarer Nachbarschaft des großen Platzes am Zoo-Restaurant. Der Platz war von einem Holzzaun umgeben, der eine Barriere für das Publikum darstellte. Die Zäune markierten wie anderswo ein »Innen« und ein »Außen«, stellten Zuschauende und zur Schau Gestellte einander gegenüber. Auch das inszenierte »Alltagsleben« in nachgebauten »Dörfern« spielte sich jenseits eines Zauns ab. Direkte Begegnungen zwischen Zoobesucher:innen und Angehörigen der Schauen waren so kaum möglich. Sie waren von Seiten der Veranstalter auch gar nicht gewollt. Weitgehend beschränkten sich die Begegnungen auf kurze Wortwechsel in Fremdsprachen, während Völkerschau-Teilnehmende Ansichtskarten und Fotografien verkauften und anschließend signierten. Dieses Recht stand ihnen häufig vertraglich zu. Der Rahmen für einen möglichen Austausch war also genau vorgegeben. Dies galt auch für vermeintlich spontane Ereignisse wie die gemeinsame Singstunde von Angehörigen der »nubischen Karawane« und der »Dresdner Liedertafel«, die 1879 im großen Saal des Zoo- Restaurants zustande kam.12 Die angereisten Teilnehmer:innen wurden seit 1883 meist in einem langgestreckten Holzbau untergebracht, der als »Hotel zum wilden Mann« bezeichnet wurde. Der Bau diente zugleich als Stallgebäude für die mitgeführten Tiere. Über die Lebensverhältnisse der Darsteller:innen ist wenig bekannt – gleiches gilt für die Arbeitsbedingungen. Die zur Schau gestellten Menschen standen in einem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer, der wiederum einen Vertrag mit dem Zoo abgeschlossen hatte. Der sogenannte Impresario bestimmte in der Regel das Programm, beaufsichtigte die Darsteller:innen, sorgte für ihre Verpflegung und zahlte den Lohn aus. Auch wenn die Teilnehmenden sich vertraglich verpflichtet hatten, konnten viele nicht erahnen, wie es ihnen monate-, manchmal jahrelang fernab ihrer Heimat ergehen würde. Es gibt zahlreiche Berichte über Völkerschau-Teilnehmende, die während der Tournee erkrankten und starben.13 Für die Schauen im Dresdner Zoo ist allerdings kein Todesfall bekannt. 3 Adolph Schoepf. Unbekannte:r Fotograf:in, um 1900/1905
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