79 Die kommerziellen Völkerschauen waren ein Produkt des europäischen Kolonialismus und der zunehmenden globalen Verflechtungen unter westlicher Vorherrschaft. Auch wenn die Menschenschauen die Vorstellung einer weißen Überlegenheit beförderten, dienten nur einzelne im Dresdner Zoo vorgeführte Schauen der direkten Kolonialpropaganda. Eher wurde die Kolonialbegeisterung aufgegriffen, um Völkerschauen zu vermarkten. Die 1886 im Zoo gezeigte »Kamerun-Expedition« mit Samson Dido (Mambingo Eyum) nutzte das Interesse für das zwei Jahre zuvor unter deutsche Kolonialherrschaft geratene Kamerun. Die Dresdner Nachrichten behaupteten gar, es ginge dem Organisator Hagenbeck nicht um den geschäftlichen Gewinn, sondern darum, »seinen Landsleuten eine richtige Vorstellung von den Eingeborenen in Kamerun zu verschaffen.«18 Als der Zoo 1893 Angehörige der Hehe aus »Deutsch-Ostafrika« präsentierte, warb er in einer Zeitungsannonce damit, dass diese 1891 »durch den Überfall des Leutnant von Zelewsky« »bekannt« geworden seien.19 Hehe-Kämpfer hatten damals die deutsche »Schutztruppe« besiegt, Kommandeur Emil von Zelewski (1854–1891) war in den Kämpfen gestorben. Der Propagierung des deutschen Einflusses in der »Südsee« dienten die Samoa-Schauen: 1901, ein Jahr, nachdem Samoa offiziell dem deutschen Kolonialreich einverleibt worden war, wurden die Samoaner:innen als »unsere neuen deutschen Landsleute« beworben.20 Neben sogenannten ethnologischen Schauen stellte der Dresdner Zoo allerdings auch »Körpersensationen« aus. Wiederholt trat eine »Colibri-Truppe« mit kleingewachsenen Menschen im Dresdner Zoo auf. Einzelne Schauen wurden als Kombination aus populärer »Freak-Show« und wissenschaftlicher Besonderheit präsentiert: Eine von Hypertrichose betroffene Person wurde als »Affenmädchen Krao« angekündigt, sie sollte eine frühere evolutionäre Entwicklungsstufe des Menschen verkörpern.21 Eine Gruppe von Sara-Kaba, deren Frauen sogenannte Lippenteller trugen, wurde 1931 in sensationsheischender Weise als »aussterbende« Kultur und »recht seltene Sehenswürdigkeit« vermarktet.22 6 Plan des Zoologischen Gartens zu Dresden. Entwurf: Horst Rose, Druck: Kunstanstalt Wilhelm Hoffmann AG, Dresden, 1909
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