121 verwende ich dann. Winnetou, Intschu-tschuna oder Nscho-tschi werden aber bleiben. Schwierig wird es bei den Stammesbezeichnungen, denn die gibt es ja wirklich. Und was die Tänze angeht, da möchte ich unseren Tänzern Workshops mit dem professionellen indigenen Tänzer Kendall Old Elk anbieten. Wir im Verein sind jetzt in der Diskussion, was wir künftig sensibler angehen und was Bestand haben soll. Worum geht es Ihnen am Ende: den »echten« Karl May auf die Bühne zu bringen – oder zu zeigen, wie die indigenen Menschen »wirklich« gelebt haben? Das ist ein Dilemma. Oft werde ich als Karl-May-Fan dargestellt, was nicht ganz stimmt. Ich habe eine typische DDR-Biografie. Bei mir hat alles mit den DEFAIndianerfilmen begonnen, mit Gojko Mitić. Diese DDRProduktionen hatten den Anspruch, authentischer zu sein als die Karl-May-Filme aus dem Westen. Deshalb wollte ich bei unseren Spielen auch immer, dass es halbwegs stimmt, was wir da spielen. So habe ich etwa Texte von historischen Indianerführern mitverarbeitet, die zum Beispiel den Umgang der Weißen mit der Natur, mit der Mutter Erde, zum Inhalt haben. Und dann kam mein Sohn und sagte: Das ist kulturelle Aneignung, das kannst du nicht machen. Bisher dachte ich, das ist gerade das, was uns auszeichnet, dass wir uns bemühen, authentisch zu sein. Jetzt muss ich ein anderes Argument verwenden und sagen: Leute, was wollt ihr? Wir spielen Karl May, das ist unsere Kultur. Der hat das ethnologisch ungenau beschrieben, das wissen wir, aber die Texte sind 150 Jahre alt. Mir ist nicht wohler auf diesem Weg und ich beschäftige mich nach wie vor sehr intensiv damit. Sie haben also kein Rezept, das Dilemma aufzulösen? Es gibt nicht die eine Lösung. Wir werden einige Dinge in den Stücken ändern und der historischen Realität anpassen. Ich lasse auch bestimmte Figuren weg, schreibe Texte um. Denn aus heutiger Sicht ist klar, dass es in Karl Mays Romanen Inhalte gibt, die als rassistisch interpretiert werden können. Gleichzeitig werden die Grundbotschaften erhalten bleiben, die für mich das positive Erbe von Karl May ausmachen: Sein Einsatz für Völkerverständigung und für die Rechte der Indianer. Manche Sachen werden wir auch nicht aus den Stücken herausnehmen. Dann erklären wir im Programmheft und im Vorprogramm: Was hat uns Karl May erzählt und was war Realität. Kendall Old Elk sagt zum Beispiel, dass die Trommel nur Männern vorbehalten war. Wenn unsere Trommelgruppe mal wieder etwas aufführt, werde ich aber sicher nicht sagen: Die Mädchen und Frauen dürfen nicht mitmachen. Welche Reaktionen erhalten Sie darauf, dass Sie sich der Debatte stellen? Im Wesentlichen wird es positiv gesehen, dass wir uns hinterfragen und bereit für Veränderungen sind. Die jüngere Generation, die allmählich die Verantwortung übernimmt, ist insgesamt sehr offen. Manche Leute verschreckt aber die harte Infragestellung. Sie lesen die Überschrift in der Zeitung: Ist Karl May rassistisch? Und lesen dann gar nicht mehr weiter, obwohl der Text oder das Interview dann differenzierter ist. Es gab auch Reaktionen unter unseren Sponsoren, die gesagt haben: Also, wenn ihr hier jetzt alles ändert, dann gibt’s kein Geld mehr. Dann sind wir raus. 2 Szene aus dem Karl-MaySpiel »Old Surehand« der Jugendbesetzung von 2022. Foto: Peter Stürzner, 2022
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