139 HIN- GESCHAUT! Das Afrikanische Restaurant in Dresden Eine Postkarte zeigt einen Schankraum mit zahlreichen Gästen und Angestellten: eine Werbeansicht, wie sie für Gaststätten, Cafés und Restaurants für die Zeit um 1900 typisch war. Die Ladeneinrichtung unterscheidet sich nicht von anderen zeitgenössischen Lokalen in Dresden. Auch die Gäste entsprechen in ihrem äußeren Erscheinungsbild dem damaligen einheimischen Publikum bzw. der in Dresden Anfang des 20. Jahrhunderts gängigen Mode. Auf den ersten Blick verweist die Postkarte also auf eine »normale« Dresdner Schankwirtschaft und die in ihr arbeitenden wie konsumierenden Menschen. Doch ein zweiter Blick lässt erkennen, dass alle drei Kellner Schwarze sind, was für Dresden zur vorigen Jahrhundertwende ungewöhnlich war. Der Umstand erklärt sich durch den aufgedruckten Namen des Lokals: Die Karte warb 1901 für ein »Afrikanisches Restaurant« in Dresdens Großer Brüdergasse. Was aber war »afrikanisch« an dem Restaurant? Das noch nach seinem Vorgängerbetrieb offiziell »Zum Chinesen« heißende Lokal wurde seit 1899 von dem in Freetown (heute: Sierra Leone) geborenen Johannes Glatty (1872–1910) gemeinsam mit seiner deutschen Ehefrau betrieben, der Kellnerin Johanne Marie, geb. Köhler (*1863). Bereits 1895 hatten sie in der Moritzburger Straße die Schankwirtschaft »Zum Afrikanischen Bierhaus« eröffnet. Darüber hinaus war Glatty zwischen 1898 und 1902 auf der Vogelwiese mit einer »Afrikanischen Bierhalle« bzw. einem »Afrikanischem Bierzelt« vertreten. Alle Lokale bezeichnete er als »afrikanisch«, was sich jedoch nur auf das Schwarze Personal bezog, das als Attraktion vermarktet wurde. Glatty verwies 1897 in Konzessionsanträgen selbst auf die Anziehungskraft seiner eigenen Zurschaustellung »in Dresden[s] einzig dastehende[m] Restaurant mit einen schwarzen Wirth«: »zahlreiche Gäste aus allen Bevölkerungsklassen beehrten mich, [um] den in Dresden etablirten schwarzen Restaurateur kennen zu lernen«. Eine Werbeanzeige in den Dresdner Nachrichten vom 16. Februar 1902 warb mit dem Aufruf: »Kommt alle zu den Schwarzen!« Sie lud bei »echt afrikanische[r] Bedienung« zu täglicher Musik mit »Trompetensolis, Burenlieder[n] und Märsche[n]« ein. Inwieweit die musikalischen Darbietungen nur auf den Zweiten Burenkrieg in Südafrika (1899– 1902) reagierten oder allgemein auch afrikanische Klänge im 1902 zum »Afrikanischen Konzerthaus« umbenannten Etablissement ertönten, ist nicht bekannt. Das Restaurant schloss 1903. Nach Stationen in Zürich, Wien und Breslau betrieb Johannes Glatty ab 1906 in Leipzig das Lokal »Zum Afrikaner«. Er starb 1910 in der Städtischen Irrenanstalt in Frankfurt am Main, nachdem kurz zuvor sein Restaurant verkauft und die Ehe mit Marie geschieden worden war. Ob der Blick auf die angestellten Schwarzen Kellner, Büffetdamen und Musiker einziger »afrikanischer« Bestandteil seines Gastronomiekonzepts war, bleibt ungeklärt, würde aber dem verwendeten Werbebild auf der Postkarte entsprechen. Werbepostkarte »Gruss aus dem Afrikanischen Restaurant Johannes Glatty«. Fotografie von Martin Görtz, Dresden, 1901 Andrea Rudolph
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