218 ließ Sarrasani die Presse darüber informieren. Angekündigt wurde die Rede des Sioux-Häuptlings »Big Snake« zu Ehren des toten Schriftstellers. Bereits bei der Abfahrt in Dresden ließ Sarrasani den Aufzug der indigenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch seine argentinische Armeekapelle in Cowboykleidung begleiten. Bei der Ankunft am Friedhof in Radebeul sollen Tausende Menschen vor Ort gewesen sein, dazu zahlreiche Pressevertreter und Fotografen.5 Neben Klara May waren auch der Leiter des Karl-May-Verlags, Dr. Euchar Albrecht Schmid (1884–1951), der Verwalter des Karl-May-Museums, Patty Frank, bürgerlich: Ernst Tobis (1876–1959), sowie der amerikanische Generalkonsul aus Dresden, Arminius Titus Haeberle (1874–1943), anwesend. Unter Trommelschlägen schritt »Big Snake« an das Grabmal und sprach auf Lakota die vermutlich von Sarrasanis Pressestab verfassten Worte zu Ehren Karl Mays: »Du großer, toter Freund! Von allen weißen Brüdern, die sich mit der Seele, mit dem Leben des roten Mannes beschäftigt haben, der jenseits des Ozeans nun friedlich mit dem weißen Bruder im Segen der Zivilisation lebt, steht uns keiner so nahe wie Du, dessen Lebenswerk eine einzige Verherrlichung der Tugenden des roten Mannes ist. Du hast unserm sterbenden Volk im Herzen der Jugend aller Nationen ein bleibendes Mal errichtet. Wir möchten Dir Totenpfähle [sic! R. L.] in jedem Indianerdorf aufstellen. In jeder Hütte sollte Dein Bild hängen, denn nie hat der rote Mann einen besseren Freund gehabt als Dich […].«6 Nach den Feierlichkeiten wurden alle Beteiligten und die Presse in den Garten von Karl Mays Villa »Shatterhand« geladen, wo im hinteren Bereich seit zwei Jahren die im Stil eines Blockhauses errichtete »Villa Bärenfett« stand, in der noch im selben Jahr das Karl-May-Museum eröffnet wurde. Nicht nur für den Zirkus Sarrasani, sondern auch für den Karl-May-Verlag bot dieses Ereignis eine lukrative Möglichkeit, für dessen Karl-May-Produkte sowie die bevorstehende Museumseröffnung zu werben. So wurde von der Aktion eine eigene Postkartenserie mit zwölf verschiedenen Motiven produziert und Schmid ließ zudem das Geschehen in einem Film festhalten, der noch heute existiert. Im Gästebuch des Karl-May-Museums finden sich unter der Überschrift »17.1.1928 – In memory of the day when representatives of the Sioux Indians visited the last resting-place and home of Karl May« noch immer die originalen Unterschriften der indigenen Akteure von damals. Als erster Name ist »Big Snake« und darunter »Pine Ridge Agency – USA – South Dakota« zu lesen. Von ihm ist bisher nur bekannt, dass sein eigentlicher amerikanischer Name James »Jim« Hawkins lautete. Die wenigsten der »Sioux-Indianer« vom 17. Januar 1928 waren auch tatsächlich Angehörige der Sioux. Bei einigen der Teilnehmer lassen sich im Gästebuch noch ihre Herkunftsangaben entziffern, darunter »Chief White Eagle« von der »Seneca Indian Reservation, New York«, oder »Edward Hunt« aus »Albuquerque, New Mexico«. Zumindest über Edward Proctor Hunt (1861–1948) ist heute durch Recherchen des amerikanischen Anthropologen Peter Nabokov (*1940) mehr bekannt. Er stammte aus Acoma Pueblo und ließ sich zusammen mit seinen beiden Söhnen Wilbert und Henry Wayne »Wolf Robe« Hunt 1927 von der »Miller Brothers 101 Ranch« unter Vertrag nehmen.7 Die amerikanische Familie Miller besaß in Oklahoma eine der größten Farmen mit Viehzucht und Landwirtschaft in den USA und war ab 1907 selbst Ausrichter von Wild-West-Shows. Die Millers waren einer der wichtigsten Vermittler indigener Darstellerinnen und Darsteller nach Europa. 1916 erwarben sie die Konkursmasse von »Buffalo Bills« Wild-West-Unternehmen für ihre »101 Ranch«, auf der auch viele frühe Hollywood-Western mit den unter Vertrag stehenden indigenen Schauspielerinnen und Schauspielern entstanden. Die Millers kannten genau das Interesse und die Erwartungen des Publikums und
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