Die Funktion12 Seit Beginn seines Schaffens hält Emil Nolde im kleinen Papierformat oft spontane Formulierungen fest, die als Erinnerungen für Ideen, Farben und Atmosphären dienen. Parallel entstehen auf allen Formaten Aquarelle, denen kaum skizzenhaft Abkürzendes mehr anhaftet. In ihrer ausgereiften Ausarbeitung und meisterhaften Ausgewogenheit erscheinen sie als autonome Arbeiten. Dies gilt insbesondere für die kleinformatigen Ungemalten Bilder, die auf den Künstler selbst »so farbig schön und fast wie bis ins kleinste fertig«13 wirkten. Sämtliche Spielformen auf Papier verwendete der Künstler insbesondere im Spätwerk auch als Vorlage für seine Gemälde.14 Mehr als 60 Ölbilder lassen sich auf Ungemalte Bilder zurückführen. Nolde umschreibt diese Blätter mit »meine kleinen, besonderen Einfälle«, »kleinen farbigen Entwürfe« und »Entwürfe für Gemälde«.15 Bei keiner anderen Werkgruppe wird die enge Beziehung von Bildskizze und Umsetzung in dieser Form und Häufigkeit betont. Doch auch ausgefeilte Aquarelle anderer Werkkategorien, die im Format und ihrer Auffassung den Ungemalten Bildern durchaus nahestehen, nutzte Nolde für diesen Zweck (Kat.-Nr. 8, Abb. 1). Der Künstler selbst bezeugt den Rückgriff auf kleinformatige Aquarelle für 1919 (Kat.-Nr. 2, 47): »Auf der Hallig Hooge waren die ersten dieser kleinen farbigen Entwürfe entstanden. Ein halbes Jahr danach, im Herbst 1919, waren schon einige als große Bilder gemalt […].«16 Schon früh wandte er diese Methode in seinem Schaffen an, beispielsweise bei Heimat von 1901 (Abb. 2, Abb. 3), da sie ihm seit seiner Ausbildung als Holzbildhauer und Zeichner ab 1884 vertraut war. Die Themen Die überwiegende Motivwelt der Ungemalten Bilder umschreibt Emil Nolde als »Entwürfe für figürliche Bilder, oft grotesk und wild, natürlich und auch naturfern, alle Möglichkeiten: Bewußtes und Zufälliges, Verständliches und Gefühltes nutzend.«17 Der Künstler lehnt sich weniger an Gesehenes an, sondern schöpft aus den Tiefen des eigenen Selbst. Nur etwa 15 Prozent der über 1 300 allein im Bestand der Nolde Stiftung Seebüll befindlichen Blätter stellen Landschaften, Berge und – die weitaus umfangreichste Gruppe – Meere dar. Außen vor stehen reine Blumendarstellungen und Stillleben. Im Zentrum des Zyklus befindet sich die menschliche Figur. Während sich in der Gestaltenwelt das Grotesk-Phantastische in beträchtlicher Zahl wiederfindet, spielen andere präzise bestimmbare Themen wie Religion, Sagen, Theater, Tanz etc. eine eher untergeordnete Rolle. Die vorherrschende Vorliebe gilt der Zweiheit, der Familie und den Figurengruppen, zwischen denen sich das gesamte Spektrum menschlicher Empfindungen entfaltet. T h e Fu n c t i o n1 2 Since the beginning of his artistic work, Emil Nolde often captures spontaneous formulations in small paper formats, which serve as memories for ideas, colours, and atmospheres. In parallel, watercolours are created in all formats, which hardly have any sketchy abbreviation. In their mature development and masterful balance, they appear as autonomous works. This is especially true for the small- format Unpainted Pictures, which appeared “so colourful and beautiful and almost finished down to the smallest detail”13 to the artist himself. The artist used all forms of play on paper, especially in his late work, as a template for his paintings.14 More than 60 oil paintings can be traced back to Unpainted Pictures. Nolde paraphrases these sheets as “my small, special ideas,” “small coloured designs,” and “designs for paintings.”15 No other work group emphasizes the close relationship between picture sketch and implementation in this form and frequency. However, Nolde also used refined watercolours of other work categories, which in format and concept are quite similar to the Unpainted Pictures, for this purpose (cat. no. 8, fig. 1). The artist himself testifies to the use of small-format watercolours for 1919 (cat. no. 2, 47): “The first of these small colourful designs was created on the Hallig Hooge. Half a year later, in the autumn of 1919, some of them were already painted as large pictures [...].”16 He applied this method early in his artistic work, for example, in “Home” from 1901 (cf. fig. 2, cf. fig. 3), it was familiar to him due to his training as a woodcarver and draftsman from 1884. T h e T h eme s Emil Nolde paraphrases the predominant world of motifs in the Unpainted Pictures as “designs for figurative images, often grotesque and wild, natural and also unnatural, all possibilities: using conscious and random, understandable and felt.”17 The artist follows less on what is seen, but draws more upon the depths of his own self.
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